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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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hast dieses Loch da unten gesehen. Kannst du dir wirklich vorstellen, dort zu hausen? Ohne Tageslicht und in dieser modrigen Luft? In Gwen hast du eine Feindin. Sie will deinen Vater nicht mit dir teilen. Sie wird dir das Leben schwermachen, wo sie nur kann.«
    »Ich gehe nicht nach Yorkshire zurück«, sagte Marjorie ungerührt.
    »Dann laß mich dich zu Mrs. Parker bringen. Jedes Heim ist besser als das hier!«
    » Sie können mich zu Mrs. Parker bringen. Aber gegen den Willen meines Vaters kann die mich nicht in ein Heim stecken. Und mein Vater liebt mich. Morgen wäre ich wieder hier.«
    »Warum nur?« fragte Frances erbittert. »Warum?«
    »Er ist mein Vater.«
    »Aber er kann nicht für dich sorgen. Schau ihn dir doch an!«
    »Er ist alt und arm. Er ist vom Leben enttäuscht! « sagte Marjorie heftig. »Aber er ist mein Vater!«
    Sie starrten einander an, beide aufgebracht, beide verletzt, ohne genau zu wissen, weshalb und wodurch. Schließlich sagte Frances: »Ja. Ich verstehe das.«
    Sie merkte, daß sie die Tasche mit Marjories Kleidungsstücken immer noch trug, daß sie sie nach unten und wieder heraufgeschleppt hatte. Sie stellte sie auf die Straße.
    »Na ja, dann werde ich mich auf die Suche nach einem Hotel machen«, sagte sie schließlich resigniert, »ich lasse dich morgen die Adresse wissen. Ich bleibe drei Tage dort, bis zum ersten September. Dann fahre ich nach Hause. Wenn du es dir anders überlegst, kannst du mitkommen. Und wenn später Schwierigkeiten auftreten ... Westhill steht dir offen.«
    »Wie großzügig!« erwiderte Marjorie verächtlich. »Aber es geht Ihnen dabei doch gar nicht um mich. Von mir haben Sie die Nase voll, und Sie wären sehr glücklich, wenn Sie mich nie wiedersehen müßten. Aber Sie haben meine Mutter gemocht, und deshalb haben Sie jetzt ein dummes Gefühl. Das brauchen Sie nicht. Ich komme zurecht! «
    Sie nahm ihre Tasche. Ohne Frances eines weiteren Blickes zu würdigen, ging sie wieder ins Haus. Frances stellte sich vor, wie sie in die Düsternis des Kellers tauchte und ihr Bleiben bei der zähnefletschenden Gwen durchsetzte.
    Ich müßte sie packen und mitnehmen, dachte sie, ich müßte sie an den Haaren zurückschleifen. Ich müßte...
    Noch während sie so dachte, entfernte sie sich langsam rückwärts von dem Haus, drehte sich schließlich um und ging schneller und schneller, und schließlich rannte sie fast, was sie erst an ihrem keuchenden Atem merkte, als sie an der Haltestelle stand und auf den Bus wartete.

Samstag, 28. Dezember 1996
    Sie hatte gelesen und gelesen und damit versucht, die Angst in sich zuzuschütten. Aber während der letzten halben Stunde hatte das immer schlechter funktioniert. Die Furcht ließ sich nicht länger austricksen. Sie arbeitete sich nach oben, rief sich durch einen beschleunigten Herzschlag und feuchte Handflächen nachdrücklich ins Gedächtnis. Irgendwann gelang es Barbara nicht mehr, sich zu konzentrieren. Sie schaute zum wiederholten Male auf und spürte Übelkeit beim Anblick der Schneeflocken vor dem Fenster. Es schneite nun wirklich heftig, fast so schlimm wie an Weihnachten.
    Sie legte den verbleibenden Stapel Blätter zur Seite. Bis heute abend würde sie damit fertig werden. Es war jetzt halb vier. Schon dämmerte es wieder; noch eine halbe Stunde, und sie mußte das Licht einschalten.
    Sie ging zum Telefon und wählte Cynthias Nummer, obwohl sie wußte, daß Cynthia nichts Neues zu berichten hatte, sie hätte sich sonst von selbst gemeldet. Aber es verlangte sie nach dem Trost einer menschlichen Stimme.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis Cynthia sich meldete. »Oh, Barbara, Sie sind es«, sagte sie dann. »Tut mir leid, daß Sie warten mußten. Ich war im Keller.«
    »Das macht doch nichts. Cynthia, ich hoffe, ich gehe Ihnen nicht auf die Nerven, aber ich bin ziemlich in Sorge um meinen Mann. Er müßte doch längst irgendwo angekommen sein.«
    Cynthia klang optimistisch — oder bemühte sie sich um Optimismus? fragte sich Barbara mißtrauisch.
    »Er ist sicher in einem der Dörfer gelandet. Aber vielleicht funktionieren die Telefonverbindungen noch nicht überall wieder. Das könnte doch sein, oder?«
    »Ja, aber... ich halte es nicht für sehr wahrscheinlich.«
    »Sie können jetzt nichts tun. Verlieren Sie nicht die Nerven, damit ist keinem gedient. Ihrem Mann wird schon nichts passieren.«
    »Aber es schneit immer heftiger!«
    »Er ist ein erwachsener Mann. Ich habe ihn ja nur kurz gesehen, aber ich meine, er ist

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