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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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keinen Tisch, und Frances fragte sich, wo man wohl das Essen zubereitete. Oder spielte sich alles auf dem Herd ab?
    Von der Küche aus führte eine weitere Tür zum Bad, wobei der Begriff »Bad« zweifellos zu hoch gegriffen war. Hier gab es überhaupt kein Fenster und folglich nicht einmal die Andeutung von Tageslicht, und so wenig Platz, daß man sich kaum um sich selbst drehen konnte. Von dem steinernen Fußboden strömte eisige Kälte herauf. Es gab eine Toilette und ein Waschbecken, das winzig und schief an der Wand klebte und von einem rostigen Wasserhahn gespeist wurde.
    »Fließendes Wasser«, erklärte Hugh.
    Insgesamt wirkte die Behausung zwar dunkel und ärmlich, war aber ziemlich sauber gehalten. Die schmuddelige Gwen schien zumindest regelmäßig das Geschirr zu spülen und die Böden zu putzen — oder tat das Hugh?
    »Ich sehe schon, Marjorie, hier kannst du nicht wohnen«, sagte Frances, »es ist nicht genügend Platz da.«
    »Genau«, pflichtete Gwen sofort bei, »das würde viel zu eng für uns alle.«
    »Wir können leicht noch ein Bett in das große Zimmer stellen«, sagte Hugh rasch.
    »Mr. Selley, das ist... Sie müssen doch verstehen, daß das nicht geht«, meinte Frances unbehaglich. Wie stellte er sich das vor? Sollten sie zu dritt in einem Raum schlafen — was unweigerlich bedeutete, daß Marjorie alles mitbekam, was sich zwischen Hugh und Gwen abspielte?
    »Warum sollte das nicht gehen?« fragte Hugh erstaunt.
    Gwen hatte begriffen, was Frances meinte, und lächelte böse. »Da müssen Sie sich keine Sorgen machen, Mrs. Gray. Bei meinem Hugh klappt’s nicht mehr!«
    »Oh ... das Problem ist auch, daß diese Wohnung überhaupt für ein Kind nicht allzu geeignet ist«, sagte Frances rasch. »Ich will nicht sagen, daß Sie es sich hier nicht schön gemacht haben. Aber es ist ein Keller. Im Winter ist es hier unten sicher ziemlich kalt und feucht.«
    Hugh wies auf den eisernen Ofen, der in einer Ecke des Zimmers stand. »Der heizt sehr gut. Hier ist es pudelwarm im Winter.«
    Gwen fixierte Frances mit kalten Augen. »Ich verstehe Sie nicht, Mrs. Gray. Sie haben doch vorher gewußt, daß es Hugh bestimmt nicht gutgeht — finanziell, meine ich. Sie hatten schließlich die Adresse. Bethnal Green ist eine beschissene Ecke. Was haben Sie da erwartet? Jetzt tun Sie so fürsorglich, aber vorher haben Sie den weiten Weg von Yorkshire bis hier herunter gemacht, um das Kind loszuwerden. Das stimmt doch? Die Kleine da geht Ihnen auf die Nerven, und Sie sind sowieso entschlossen, sie hierzulassen. Sie spielen jetzt bloß ein bißchen Theater, um Ihr Gewissen zu beruhigen, und nachher drücken Sie uns das Mädchen doch aufs Auge und verschwinden! «
    »Sie sollten vielleicht...«, begann Frances aufgebracht.
    Aber Marjorie fiel ihr sofort ins Wort: »Ich gehe nicht nach Yorkshire zurück, Mrs....« Es fiel ihr offenbar schwer, ihre Stiefmutter mit dem Familiennamen anzusprechen, denn sie zögerte und sagte dann: »Mrs. Gwen. Ich werde hierbleiben.«
    »Natürlich bleibst du hier«, bestätigte Hugh sofort.
    »Das ist ein abgekartetes Spiel«, schrie Gwen.
    Frances nahm Marjorie am Arm. »Marjorie, wir gehen nach oben. Ich möchte dich kurz unter vier Augen sprechen.«
    Widerwillig folgte ihr Marjorie die Treppe hinauf. Nach der dumpfen Luft unten im Keller erschien Frances selbst die drückende Hitze auf der Straße wie eine Oase. Sie atmete erleichtert auf, als die Sonnenstrahlen ihre Haut streichelten.
    »Marjorie, hör zu«, sagte sie eindringlich, »wir haben vielleicht beide alles ein wenig überstürzt. Was vorgestern abend geschehen ist ... ich hätte dich nicht ohrfeigen sollen. Aber du hättest auch nicht ...«
    Sie merkte, wie bereits wieder die Wut in ihr aufstieg. Warum redete sie so? Sie meinte ja gar nicht, was sie sagte. Es tat ihr nicht im mindesten leid, Marjorie geohrfeigt zu haben, sie bedauerte höchstens, daß es nicht schon früher passiert war. Sie brauchte sich selbst nichts vorzumachen: Sie wollte das Mädchen los sein. Sie verfluchte insgeheim den unfähigen Hugh Selley dafür, daß er nicht in der Lage war, sich eine anständige Bleibe zu suchen, daß er diese unmögliche Frau geheiratet hatte, der man kaum ein junges Mädchen anvertrauen konnte. Sie ärgerte sich über ihre Zerrissenheit zwischen dem Wunsch, Marjorie loszuwerden, und dem schlechten Gewissen, das sie gegenüber der toten Alice empfand.
    »Nun, Marjorie, wie auch immer, du kannst hier nicht wohnen. Ich meine, du

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