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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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hätte sie gern gefragt, wie die lächerlich niedrigen Preise zu erklären waren, die Laura für ihr Land bekommen hatte. Barbara verstand nicht allzuviel von Grundstückswerten, vor allem nicht von denen in England; aber ihr war klar, daß Laura von Fernand Leigh wohl mehr eine Art symbolische Bezahlung bekommen hatte, damit überhaupt offiziell ein Kauf hatte stattfinden können. Inoffiziell hatte sie viele Meilen Weideland geradezu an ihn verschleudert. Warum? Stand ihr das Wasser so bis zum Hals, daß sie nehmen mußte, was ihr geboten wurde, selbst wenn es fast nichts war? Vielleicht fanden sich Käufer hier oben nicht allzu leicht? Vielleicht hatte es nur den Interessenten Fernand Leigh gegeben — und entsprechend hatte er die Preise diktiert.
    Auf eine skrupellose, fast widerwärtige Art hatte er die Notlage der alten Frau ausgenutzt. Oder tat sie ihm unrecht? Lag ein Steuerbetrug vor? Waren Schwarzgelder geflossen, war die einfältige, ängstliche Laura gar nicht so einfältig und ängstlich?
    Irgendwie paßte das andere Bild besser, zu beiden. Laura war das geborene Opfer. Und Fernand der geborene Täter. Barbara dachte an seine schüchterne Frau mit dem blauen Auge.
    Zum erstenmal machte sie sich bewußt klar, daß Fernand der Sohn von Marguerite sein mußte, der französischen Emigrantin. Und ihr kam, zum erstenmal wieder seit Tagen, ihr Traum aus der ersten Nacht in Westhill ins Gedächtnis. Sie und Fernand ... Sie merkte, wie ihr Gesicht heiß wurde.
    Na ja, dachte sie, bemüht, den Gedanken loszuwerden, wenn für Laura alles so schwierig ist, dann versteht man schon, weshalb sie sich solche Sorgen um das Haus macht.
    »Sie ist einfach eine schrullige, alte Jungfer«, sagte Cynthia gerade, und das waren genau die gleichen Worte, die sie schon bei Ralphs und Barbaras Ankunft in Leigh’s Dale benutzt hatte, um Laura zu beschreiben.
    Barbara überlegte, weshalb die Leute die Bezeichnung » alte Jungfer« meist so abfällig, so verächtlich aussprachen. Von einem bestimmten Alter an schien Jungfräulichkeit als ernster Makel bei einer Frau zu gelten — und wurde als Erklärung für jedes sonderbare Verhalten herangezogen. Man machte sich kaum noch die Mühe, Fehler und Ticks, wie sie jeder Mensch hat, mit etwas anderem zu erklären als mit der Unberührtheit, die den betreffenden Frauen wie eine Krankheit zugestoßen war.
    »Es gab nie einen Mann in ihrem Leben?« fragte Barbara gespannt.
    Cynthia überlegte. »Wenn Sie mich fragen — nein! Aber es gab Gerüchte, daß sie als junges Mädchen... nun, daß da ein Mann gewesen sein soll. Ob sie mit einem wirklich was hatte? Tatsächlich fing sie zu dieser Zeit an zu hungern und war schließlich auch schlanker. Ich war ja, wie gesagt, noch ein Kind, aber ich weiß noch, wie meine Mutter sagte: Ich wette, Laura Selley ist verliebt. Man merkt das einem Mädchen einfach an. Sie ißt nicht mehr dauernd, sie frisiert sich hübsch, und sie hat so ein Leuchten in den Augen. Das hat meine Mutter gesagt. Ob was dran war — wer weiß!«
    »Wann war denn das?«
    »Das muß... ja, das muß noch im Krieg gewesen sein. ’42 oder ’43. Damals haben die Leute ja behauptet, da geht ein Mann aus und ein in Westhill. Wir sprachen übrigens alle gar nicht mehr von Westhill, wir nannten es bereits nur noch ›Das Haus der Schwestern‹. Aber Laura und eine alte Haushälterin lebten auch noch dort. Nur Frauen jedenfalls. Und dann sagte jemand plötzlich, im Haus der Schwestern, da ist ab und zu ein Mann. Na, Sie können sich denken, wie die Gerüchteküche brodelte!«
    »Vielleicht war ja Frances’ Bruder George zurückgekehrt«, meinte Barbara unvorsichtig, und Cynthia sagte auch sofort erstaunt: »Laura hat Ihnen aber viel erzählt! Sogar von dem armen George wissen Sie? Sie müssen ja stundenlang telefoniert haben!«
    Barbara biß sich auf die Lippen. Sie sollte besser aufpassen, sonst merkte Cynthia noch, daß es da eine weitere Informationsquelle geben mußte.
    »Nein, nein, der arme George war es bestimmt nicht«, sagte Cynthia, die offenbar, wie Barbara registrierte, anderen Menschen gern das Attribut »arm« anhängte — vermutlich, um sich selbst aufzuwerten. »Den hat nie wieder einer gesehen. Das war schlimm für Frances. Wenn man ihren Bruder erwähnte, dann bekam sie immer ganz traurige Augen, auch noch als alte Frau.«
    »Vielleicht war das mit dem fremden Mann auch bloß ein Gerücht«, meinte Barbara abschließend.
    Sie hätte gern noch länger telefoniert,

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