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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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recht groß und kräftig. Er wird sich zu helfen wissen.«
    »Ja, vielleicht.«
    Sie merkte selbst, wie jämmerlich sie klang. Cynthia kannte Ralph nicht, sie konnte ihr das Problem nicht begreiflich machen. Cynthia war unter Farmern aufgewachsen, lebte in diesem rauhen, kargen Land, in dem die Menschen gelernt hatten, sich gegenüber der Natur zu behaupten und den Stürmen zu trotzen. In Cynthias Welt existierte kaum die Vorstellung von einem großen, gesunden Mann, der es nicht schaffte, mit Schnee und Kälte, mit Dunkelheit und unwegsamem Gelände fertig zu werden. Was wußte sie von Menschen, die praktisch ihr ganzes Leben hinter einem Schreibtisch verbrachten, die weder eine Ahnung hatten, wie man Holz hackte, noch wie man sich in der Finsternis und bei dichtem Schneetreiben orientierte?
    »Sie müssen sich ablenken, Barbara«, mahnte Cynthia eindringlich. »Vielleicht kommt etwas Schönes im Fernsehen? Oder Sie finden ein spannendes Buch?«
    Ein spannendes Buch. Sie dachte an die im Eßzimmer verstreut liegenden Blätter. Ablenken ...
    » Haben Sie eigentlich Laura und Marjorie Selley schon als Kinder gekannt?« fragte sie.
    »Laura und Marjorie? Natürlich. Ich war noch ziemlich klein, als sie hierherkamen, damals im Krieg. Sie waren aus London evakuiert worden.«
    »Aber Marjorie blieb nicht lange.«
    »Ach, Sie haben wohl mit der guten Laura telefoniert?« fragte Cynthia überrascht. »Hat sie Ihnen das erzählt?«
    »Ja, wir haben länger miteinander gesprochen...«
    »Niemand hat Marjorie eine Träne nachgeweint. Sie spielten nicht oft mit uns Kindern aus dem Dorf, aber wenn sie es taten, dann gab es unweigerlich Streit mit Marjorie. Sie war ein richtiges Biest. Sie konnte einfach keinen Frieden geben. Ich glaube, sie kam mit sich selbst nicht zurecht. Laura war da ganz anders. Sie hatte immer Angst, sie könnte jemanden vor den Kopf stoßen, und das könnte dann dazu führen, daß man sie weggschickte. Sie war unheimlich dick damals, können Sie sich das vorstellen? Die dünne Laura! Damals brachte sie bestimmt zwei Zentner auf die Waage.«
    »Marjorie kam nie zurück?«
    »Oh, nein! Nie. Auch später nicht. Sie ist ja wieder zu ihrem Vater nach London gezogen. Die Mutter war tot inzwischen, aber der Vater hatte wieder geheiratet. Laura hat einmal angedeutet, daß Marjorie diese zweite Frau schließlich hinausgeekelt hat. Wundert mich überhaupt nicht. Marjorie hat dann immer bei ihrem Vater gelebt und ihn bis zum Tode gepflegt. Na ja, damit hat sie sicher manches gutgemacht. Jetzt lebt sie allein, irgendwo im Süden.«
    »Und Laura hat hier Wurzeln geschlagen«, sagte Barbara nachdenklich.
    »Wurzeln geschlagen ist gar kein Ausdruck«, erklärte Cynthia. »Sie hängt abgöttisch an Westhill. Das tat sie schon damals. Man hatte immer das Gefühl, sie klammerte sich an die Farm wie ein Ertrinkender an den Strohhalm. Nun, sie war auch ein armes Ding, das muß man zugeben. Ich glaube, sie hatte einen ziemlichen Schock von den Bomben in London davongetragen. Dann später der Tod ihrer Mutter ... sie hat mir mal gesagt, sie empfinde Westhill als den einzig sicheren Ort in einer feindlichen Welt. Sie ist ein furchtbar ängstlicher Mensch. Ständig wittert sie irgendein Unheil. Kein Wunder, daß sie sich an dem Vertrauten festkrallt.«
    »Sie ruft ständig hier an, weil sie offenbar fürchtet, irgendeine Katastrophe könnte geschehen. Wir haben ihr schon mehrfach versichert, daß mit dem Haus alles in Ordnung ist, aber sie scheint es nur schwer zu glauben.«
    »Man sagt, daß sie in großen finanziellen Schwierigkeiten steckt«, berichtete Cynthia mit dem Genuß eines Menschen, für den Tratsch ein Lebenselixier ist.
    »Man weiß nichts Genaues, aber... nun, die Instandhaltung dieses unpraktischen, alten Kastens verschlingt sicher einiges, und dann fallen ja auch noch die Steuern an. Und sie kann nur eine minimale Rente haben. Was war sie denn schon? Frances Grays Gesellschafterin! Da lassen sich keine Reichtümer anhäufen!«
    »Ihr gehört ja auch nicht mehr das ganze Land von einst, oder?«
    Cynthia lachte. »Beileibe nicht. Sie hat den größten Teil ihres Grund und Bodens an Fernand Leigh verkauft. Für den ist das natürlich großartig. Die Westhill Farm hat die Ländereien von Daleview ja zersplittert. Jetzt fügen sie sich wieder zusammen.«
    Barbara fielen die Kaufverträge ein, die sie im Sekretär im Wohnzimmer gefunden hatte. Sie mochte vor Cynthia nicht zugeben, daß sie herumgestöbert hatte; sonst

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