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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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nichtsahnende Laura natürlich wach wurde, barfuß und im Nachthemd herüberkam und aus schreckgeweiteten Augen auf das grausige Bild starrte, das sich ihr bot.
    »Was tut ihr hier?« rief sie. »Ihr bringt ihn ja um!«
    » Raus! « fuhr Frances sie an. Und an Adeline gewandt, fauchte sie: »Äther! Mehr Äther, verdammt noch mal!«
    Laura floh aus dem Zimmer. Der Verletzte wand sich und stöhnte wie ein verendendes Tier. Adeline schüttete Äther in das Tuch, preßte es ihm entschlossen auf das Gesicht. Der Verletzte zuckte, gab einen gurgelnden Laut von sich und sank in tiefe Bewußtlosigkeit.
    »Schnell jetzt! « sagte Adeline. Mit den bloßen Händen hielt sie die Hautlappen auseinander. Ein Schwall von Blut ergoß sich über das Bett.
    Frances fahndete nach der Kugel, was bedeutete, daß sie ziemlich hektisch in der Wunde herumstocherte. Sie fragte sich, wie ein Mensch eine solche Behandlung überleben konnte. Der Mann rührte sich nun überhaupt nicht mehr. Victoria zitterte wie Espenlaub, der Schein ihrer Lampe flackerte wild hin und her.
    »Ich glaube, ich muß mich übergeben«, stieß sie hervor.
    Frances schrie auf. »Ich habe sie!« Triumphierend hielt sie das blutverschmierte Stück Blei in die Höhe. Victoria ließ die Lampe fallen und erbrach sich über dem Sessel, der am Fenster stand, aber Adeline nickte Frances anerkennend zu.
    »Gut gemacht«, sagte sie.

    Er hieß Peter Stein und kam aus Stralsund in Mecklenburg. Später erfuhren sie, daß er aus einer der reichsten Kaufmannsfamilien der dortigen Gegend stammte. Er war neunundzwanzig Jahre alt und Oberleutnant der deutschen Luftwaffe. Mit zwei Kameraden war er über Nordengland mit dem Fallschirm abgesprungen. Seit mehr als zehn Tagen schlug er sich schwer verletzt durch die Wälder.
    Er erzählte das alles in fließendem, akzentfreiem Englisch, zwei Tage nach jener dilettantischen Operation, die ihn fast umgebracht hätte, von der er sich aber, da er sie wundersamerweise überlebt hatte, nun erstaunlich rasch erholte. Er hatte um Rasierzeug und um seine Kleider gebeten.
    »Etwas zum Rasieren können Sie haben«, hatte Adeline entgegnet, »aber Ihre Kleider habe ich weggeworfen. Das waren nur noch Fetzen.«
    Er wirkte etwas verärgert. »Kann ich etwas anderes zum Anziehen haben?«
    »Später. Vorerst bleiben Sie im Bett. Sie hatten sehr hohes Fieber, junger Mann. Sie sind schwächer, als Sie denken.«
    Er rasierte sich im Bett sitzend, Victoria hielt ihm den Spiegel. Danach war er in Schweiß gebadet und völlig erschöpft.
    »Ich habe ja wirklich überhaupt keine Kraft mehr«, sagte er schwer atmend, erstaunt und zornig. » So kenne ich mich gar nicht!«
    »Sie waren dem Tod näher als dem Leben«, gab Victoria zu bedenken. »Sie haben literweise Blut verloren, und Ihr Fieber war wirklich schlimm. Aber Sie werden sich erholen!«
    Er lehnte sich in seine Kissen zurück. Jetzt, da sein Bart verschwunden war, konnte man sehen, wie eingesunken seine Wangen waren, wie scharf sich die Knochen darüber abzeichneten. Das schöne Sommerwetter der letzten Wochen hatte seine Haut jedoch stark gebräunt, was ihn weniger krank und elend aussehen ließ, als er tatsächlich war.
    »Wahrscheinlich wird es Zeit, daß ich mich vorstelle«, sagte er.
    Sie waren alle im Zimmer: Frances, Victoria, Laura und Adeline.
    »Wir wissen, daß Sie Deutscher sind«, sagte Frances.
    »Ich habe eine Menge geredet, nehme ich an«, meinte er resigniert.
    Dann nannte er Namen und Dienstgrad und berichtete von seinem Fallschirmabsprung.
    Frances musterte ihn kühl. »Nicht unbedingt die übliche Art, nach England zu reisen, oder?«
    »Nein.« Er schwieg.
    »Als ich Sie fand«, sagte Laura, »da sagten Sie immer wieder, ich dürfe keinen Arzt holen. Warum?«
    Peter Stein umfaßte ihre dicke, unansehnliche Gestalt mit einem beinahe zärtlichen Blick.
    »Sie waren das? Diese tapfere, junge Frau, die mich einen so weiten Weg nach Hause getragen hat?«
    Laura wurde rot. Noch nie hatte jemand sie als »junge Frau« bezeichnet. Verlegen nickte sie und senkte den Kopf. Peter lächelte.
    Dann wurde er ernst. »Ich will Ihnen nichts vormachen«, sagte er. »Meine Kameraden und ich sind über England abgesprungen mit dem Auftrag, militärische Informationen zu beschaffen. Vor allem, was die Marine angeht.«
    »Scarborough«, sagte Frances.
    »Ja. Das war unser Ziel. Unglücklicherweise ... ist alles schiefgegangen.« Er deutete auf sein verletztes Bein.
    »Sie haben sich aber nicht bei dem

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