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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ewige kleine Mädchen im Körper einer alten Frau, mochte fanatisch an Westhill hängen, mochte sich große Sorgen machen, daß dort etwas passiert sein könnte; aber bei aller spleenigen Weltfremdheit konnte sie kaum annehmen, daß der Schneesturm, so heftig er gewesen sein mochte, ihr Haus fortgeweht oder dem Erdboden gleichgemacht hatte. Zumal sie mit Barbara und Ralph telefoniert und keinerlei Hiobsbotschaft erhalten hatte.
    Ihr Blick fiel auf den Papierstapel vor dem Kamin. Die engbetippten Seiten: Chronik eines Lebens, Chronik eines Mordes. Barbara fragte sich, ob Laura wußte, daß Frances dieses Dokument hinterlassen hatte. Sie konnte sich allerdings kaum vorstellen, daß Laura es unter diesen Umständen nicht verbrannt hätte, zumindest den Schluß.
    Der Mord an Victoria belastete auch sie. Laura war sicherlich juristisch nicht im geringsten bewandert; sie hatte wahrscheinlich keine Ahnung, daß man sie für dieses Verbrechen nicht mehr belangen konnte.
    Vielleicht dachte sie auch, man würde ihr zumindest das Haus wegnehmen, wenn die Geschichte aufflog. Laura reagierte auf nahezu alles hysterisch; unwahrscheinlich, daß sie ausgerechnet hier Gelassenheit gezeigt haben sollte.
    Sie weiß nicht, daß es diesen Bericht gibt, sagte sich Barbara, oder?
    Ihr fiel ein, auf welch zufällige Weise sie das Manuskript entdeckt hatte. In einem Hohlraum unter den Fußbodendielen im Schuppen. An einer Stelle, an die man normalerweise kaum hintrat.
    Ihr kam ein ganz neuer Gedanke: Laura wußte von den Aufzeichnungen. Aber sie hatte nie herausbekommen, wo sie versteckt waren. Das würde ihre krankhafte Nervosität erklären. Marjorie hatte gesagt, Laura sei jedesmal zu einem Häufchen Elend geschrumpft, wenn sie Westhill vermieten und verlassen mußte.
    Kein Wunder! Sie hatte auf glühenden Kohlen gesessen. Irgendwo im Haus lag ein Bericht versteckt, der neben vielen anderen Geschehnissen auch ihre Beihilfe zur Beseitigung einer Leiche schilderte. Sie mußte Qualen ausgestanden haben vor Angst, daß einer der Gäste etwas finden könnte.
    Und diesmal ist es besonders schlimm, dachte Barbara. Der Schneesturm! Sie weiß, wir sind völlig ans Haus gefesselt. Und haben folglich noch mehr Zeit und Gelegenheit als andere, herumzustöbern und unsere Nasen in Dinge zu stecken, die uns nichts angehen — was wir ja auch getan haben.
    Ein unangenehmes Gefühl beschlich sie bei der Vorstellung, Laura könne — im wahrsten Sinne des Wortes — plötzlich hereingeschneit kommen. Sie fragte sich, ob es ihr gelingen würde, unbefangen aufzutreten.
    Ich werde mich nicht einmischen, beschloß sie, ich weiß von nichts. Ich lege die Papiere wieder in das Versteck, und dann vergesse ich alles. Dieser Mord liegt über ein halbes Jahrhundert zurück. Er hat keine Bedeutung mehr.
    Je länger sie den Papierstapel ansah, desto dringender schien es ihr, ihn zu verbergen. Die Geschichte brauchte nicht noch in dritte Hände zu gelangen. Sie konnte sie vorläufig nach oben bringen und unter den Pullovern in ihrem Kleiderschrank verstauen, und morgen würde sie den ganzen Packen an seinen alten Platz im Schuppen legen. Oder sollte sie besser gleich hinübergehen? Ihr schauderte vor der Kälte und der Dunkelheit, aber wenn Laura am Ende — was unwahrscheinlich war — schon in der Nacht eintraf, würde sie am nächsten Tag keine Gelegenheit mehr finden. Sie sollte ...
    Ein Poltern riß sie aus ihren Überlegungen, ließ ihr für Sekunden beinahe das Herz stillstehen. Es kam von der Haustür. Jemand pochte dagegen, dann wurde die Tür aufgestoßen. Barbara fiel ein, daß sie nicht abgeschlossen hatte. Jetzt klang es, als trete sich jemand die Schuhe ab.
    Laura! dachte sie.
    Aber dann begriff sie, daß es Laura nicht sein konnte. Nicht in so kurzer Zeit. Nicht bei diesem Wetter.
    »Ralph!« rief sie und lief hinaus in den Flur.
    Vor ihr stand Fernand Leigh.

    Seine Wangen waren von der Kälte gerötet. Er wirkte abgekämpft, atmete schwer. Er war vermummt mit Mütze, Schal, Anorak und Handschuhen. An den Füßen trug er Skistiefel, die, obwohl er sie bereits abgetreten hatte, immer noch voller Schnee waren. In kleinen Klumpen fiel er ab und zerschmolz auf den Fliesen.
    »Entschuldigen Sie, daß ich hier alles naß mache«, sagte er, »aber da draußen ist es wirklich wie in einer Schneewüste.«
    Sie starrte ihn nur an, noch immer viel zu erschrocken, um ein Wort hervorzubringen.
    »Ich hätte nicht so hereinplatzen dürfen«, meinte er und begann sich

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