Das Haus Der Schwestern
sie Westhill vermieten muß. Aber diesmal... sie war sogar für ihre Verhältnisse ungewöhnlich nervös. Sicher hing das auch mit dem Schnee zusammen.«
»Sie wird Schwierigkeiten haben, bis hierher zu kommen«, sagte Barbara, »der Schnee liegt wirklich extrem hoch. Wir sind von der Außenwelt völlig abgeschnitten — obwohl ich mich immerhin besser fühle, seitdem das Telefon und die Heizung wieder funktionieren.«
»Furchtbarer alter Kasten«, brummte Marjorie Selley inbrünstig, obwohl für den Stromausfall das Alter des Hauses nicht verantwortlich gewesen war, »ich frage mich immer, weshalb sich Laura so daran festkrallt.«
»Westhill ist wohl alles, was sie hat«, sagte Barbara.
Marjorie schnaubte. »Ich bitte Sie! Ein Haus! Eine Farm! In dieser furchtbaren Gegend! Diese Einsamkeit ... Ich bin heute noch froh, daß ich mich seinerzeit abgesetzt habe!«
»Sie haben auch einmal hier gelebt?« fragte Barbara geistesgegenwärtig.
»Ach, das ist endlos her. Als Kind, im Krieg. Habe mich aber bald wieder nach London aufgemacht. War gewiß kein Zuckerschlecken, was mich da erwartete, aber besser als Westhill war es allemal ...«
Marjorie schien weiterreden zu wollen, aber dann ging ihr offenbar auf, daß es eine Wildfremde war, der sie gerade ihr Herz auszuschütten im Begriff stand.
»Na ja«, meinte sie, »wird ohnehin bald ein Ende haben für Laura mit ihrem Westhill.«
»Wirklich? Warum?«
»Der Erhalt des Hauses kostet zuviel Geld. Sagt sie! Ich verstehe ja nicht ganz, weshalb das ein solches Problem ist. Ich meine, über ihr wird der Schuppen sowieso nicht mehr zusammenbrechen. Weshalb soll sie das alles so großartig instand halten? Für wen? Schließlich hat sie keine Kinder. Letztlich werden die Leighs alles bekommen, und für die braucht sie sich wirklich nicht krummzulegen!«
»Das ist die reichste Familie hier, nicht?«
»Na ja, so toll ist es damit auch nicht mehr. Früher, da waren sie die ›Herren‹ in der Gegend, so nannte man das. Haben ein riesiges Haus, und praktisch gehört ihnen alles Land und das ganze Leigh’s Dale. Die Westhill Farm war den Leighs immer ein Dorn im Auge, weil sie ihre Ländereien so richtig zerriß. Lag behäbig mittendrin. Aber inzwischen haben sie Laura ohnehin fast alles abgeluchst.«
Barbara fielen die Kaufverträge ein.
»Ihre Schwester müßte doch eigentlich eine ganze Menge Geld haben«, sagte sie probeweise, »wenn sie den Leighs so viel Land abgetreten hat.«
»Das hat mich ja damals auch so gewundert!« meinte Marjorie und klang plötzlich fast lebhaft. » Ich habe zu ihr gesagt: Laura, du mußt doch jetzt endlich genug Geld haben! Das waren doch viele Acres bestes Weideland, die du Fernand Leigh verkauft hast! — Wissen Sie, manchmal glaube ich, sie lamentiert nur so herum, weil das ihre Art ist. Andererseits scheint sie wirklich dicht davor zu stehen, das Haus verkaufen zu müssen. Außer, sie macht mir etwas vor.«
»Das wäre tragisch für sie.«
»Für Laura ist immer alles tragisch! Hören Sie«, Marjorie wechselte abrupt von vertraulichem Klatsch zu kühler Geschäftsmäßigkeit, » das Gespräch ist ziemlich teuer. Ich muß Schluß machen. Also, wie gesagt, Laura hat sich auf den Weg nach Hause gemacht. Falls sie wider Erwarten tatsächlich durch die Schneewüste bis nach Westhill vordringt, dann soll sie mich kurz anrufen. Ich möchte wissen, ob sie angekommen ist.«
Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, ging Barbara nachdenklich hinüber ins Eßzimmer. Sie fand das alles etwas mysteriös. Ihrer Schwester gegenüber hatte Laura offenbar nicht erwähnt, daß sie ihr Land zu Schleuderpreisen an Fernand Leigh abgegeben hatte. Falls sie wirklich einen Steuerbetrug (Laura?) begangen hatte, war das zu verstehen; so etwas posaunte niemand herum. Aber dann müßte sie irgendwo die tatsächlich bezahlte Kaufsumme haben, und wieso hatte sie bei Marjorie angedeutet, sie werde Westhill verkaufen müssen?
Und warum hatte sie sich jetzt auf den Weg nach Leigh’s Dale gemacht? Es war Wahnsinn. Ganz abgesehen davon, daß sie gegen die Mietvereinbarungen verstieß, wenn sie plötzlich hier aufkreuzte, so mußte ihr doch auch klar sein, daß es ihr angesichts der Schneemassen kaum gelingen konnte, bis zur Farm vorzudringen. Was ließ sie so nervös, so unruhig sein, daß sie es dennoch versuchte? Nur die Vorstellung, der Schnee könne irgendeinen Schaden an ihrem Haus angerichtet haben?
Nein. Barbara schüttelte den Kopf. Laura, das verletzte,
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