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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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zurückkehren.«
    »Wenn ich nur wüßte, ob er überhaupt irgendwo angekommen ist! Ich habe nichts mehr von ihm gehört. Cynthia Moore hat versprochen, sich sofort zu melden, wenn er bei ihr auftaucht. Bisher scheint das jedoch nicht der Fall zu sein.«
    Wie dumm die Dinge laufen können im Leben, dachte sie. Jetzt irrt Ralph da draußen umher, und ich sitze hier vor einem Berg von Essen. Wenn er nur geblieben wäre... Aber wer konnte das ahnen?
    »Bei all dem Schnee ist es, besonders für einen Ortsunkundigen, äußerst schwierig, die Richtung zu halten«, erklärte Fernand. »Selbst ich hätte mich auf dem Weg hierher einmal fast verirrt, und ich lebe hier seit dem Tag meiner Geburt.«
    7. April 1943, dachte Barbara automatisch.
    »Es ist unwahrscheinlich, daß er genau bei Cynthia anlangt«, fuhr Fernand fort, »er wird irgendwo anders gelandet sein.«
    »Aber in jedem Fall würde er mich anrufen.«
    »Barbara, hier waren überall tagelang die Telefone gestört. Mit Sicherheit gibt es Farmen, wo sie immer noch nicht funktionieren. Er hat wahrscheinlich keine Möglichkeit gefunden, anzurufen.«
    »Ich hoffe nur, daß ihm nichts zugestoßen ist.«
    »Sicher nicht. Das ist hier eine verteufelt einsame Gegend, aber so einsam nun auch wieder nicht. Er hat bestimmt einen Ort entdeckt, wo er die Nacht verbringen kann.«
    » Ich komme mir ganz schlecht vor, hier im Warmen zu sitzen und zu essen.«
    »Vermutlich sitzt er ebenfalls im Warmen und ißt — und sein Gewissen plagt ihn, weil er glaubt, Sie müßten schon wieder hungrig zu Bett gehen. Vernünftiger wäre, Sie würden beide genießen, was Sie haben.«
    Wie nett er ist, dachte Barbara. Sie sah ihm zu, wie er mit schnellen, geschickten Händen den Tisch deckte, Servietten zurechtlegte, das mitgebrachte Essen auf ein paar Platten und Schüsseln anrichtete. Zum Schluß entkorkte er eine der Weinflaschen und zündete die Kerze auf dem Tisch an.
    »So«, sagte er, »jetzt lassen Sie es sich schmecken!«
    Sie ließ sich nicht zweimal bitten. Sie tauchte ein in ein Meer von Genuß. Sie aß zuerst hastig, gierig, so, als habe sie Angst, jemand könne ihr alles jederzeit wieder wegnehmen. Dann wurde sie langsamer, gelassener, sinnlicher. Sie konnte nebenher noch auf den kalten Wind lauschen, der um das Haus heulte, und ihren Blick vertiefen in den warmen Schein der dicken, roten Kerze vor ihr. Die ganze Zeit über sprach sie nicht ein einziges Wort.
    Erst als sie sich endlich zurücklehnte, sagte sie voll tiefer Zufriedenheit:
    »Ich wußte nicht, daß etwas so gut sein kann.«
    Er hatte sich zurückgehalten, hatte sie ständig beobachtet. »Ich mag die Art, wie Sie essen«, meinte er.
    »Nun— das ist nicht ganz die Art, wie ich sonst esse. Für gewöhnlich schlinge ich nicht so.«
    » Schade. Mir gefielen Sie so ... so genußsüchtig und gierig.«
    Sie warf ihm einen raschen Blick zu. Jetzt, da ihr Hunger gestillt war, konnte sie wieder klar denken — halbwegs klar jedenfalls, denn der Wein umnebelte leicht ihren Kopf.
    Fernand Leigh. John Leighs Sohn. Der Sohn des Mannes, von dem Frances Gray nie losgekommen war, der umgekehrt auch von Frances nie wirklich hatte lassen können. Ob John so ausgesehen hatte? Fernand Leigh war groß, so groß wie Ralph, aber breiter und kräftiger. Die schwarzen Haare und dunkelbraunen Augen mochte er von Marguerite, seiner französischen Mutter, haben. Sein Gesicht war schmal, zerfurcht auf eine Weise, wie sie typisch ist für Menschen, die sich ihr Leben lang viel im Freien aufgehalten haben. Er sah weder jünger noch älter aus als die dreiundfünfzig Jahre, die er zählte. Cynthia hatte gesagt, daß er zuviel trank, offenbar ein erbliches Problem in der Familie. Barbara dachte an seine Frau. Es irritierte sie zutiefst, ihn sich als Trinker und Schläger vorzustellen. Wie er so dasaß, wirkte er ruhig und beherrscht. Es war so nett von ihm gewesen, hierherzukommen und ihnen Essen zu bringen.
    »Wir sollten es uns richtig schön machen«, hatte er gesagt und den Tisch gedeckt. Ihr war die Geschicklichkeit seiner Hände aufgefallen. Die Hände, mit denen er ihr in jenem Traum ...
    Hastig setzte sie sich aufrechter hin. »Es ist ziemlich warm hier, nicht?« meinte sie.
    »Ich finde es ganz angenehm, denn so taue ich langsam auf. Möchten Sie noch etwas Wein?«
    Sie nickte. Während er ihr nachschenkte, stand sie auf und trat ans Fenster. Sie schob den Vorhang zurück, starrte hinaus. Der Wind war stärker geworden und tobte ums

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