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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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befreundet ist und ständig nach Informationen aus erster Hand fiebert. Und die manchmal völlig vergißt, daß es Wichtigeres im Leben gibt.«
    »Ralph, ich...«
    »Weißt du, daß du mir so, wie du heute abend hier sitzt, hundertmal besser gefällst, als wenn du in großer Aufmachung zu irgendeinem Ereignis davonrauschst? Deine Haare sind zerzaust vom Sturm draußen, und außer dem blutigen Kratzer auf der Wange hast du auch noch einen Rußfleck auf der Nase, und ... nein! «Er griff nach ihrer Hand, mit der sie sich unwillkürlich über die Nase hatte wischen wollen, hielt sie fest. »Laß es, wie es ist. Mir wird der Anblick nicht mehr allzuoft gegönnt sein, fürchte ich.«
    »Ich werde auch nicht für den Rest meines Lebens in Holzöfen herumstochern müssen, um aus praktisch nicht vorhandenen Lebensmitteln ein halbwegs genießbares Essen zu zaubern ... oh, verdammt! Die Kartoffeln!« Sie sprang auf, zog den Topf von der Herdplatte, hob den Deckel und spähte hinein.
    »Die dürften ziemlich matschig sein«, meinte sie. Sie fühlte seinen Blick auf sich ruhen und sah rasch zu ihm hin. Aller Zorn war aus seinen Augen gewichen.
    »Ach, Ralph!« sagte sie. »Du hast es dir alles ganz anders gewünscht, nicht wahr?«
    »Du warst eine andere, als wir uns kennenlernten.«
    »Ich war...«
    »... nicht halb so schön wie heute. Nicht halb so schlank. Aber du hattest eine Wärme, die dir inzwischen irgendwo verloren gegangen ist.«
    »Ich will über damals nicht reden«, sagte Barbara kurz. Wenn er damit anfing, bekam sie Kopfweh.
    »Ich will auch nicht über damals reden«, sagte Ralph, »es ist nur... manchmal fühle ich mich allein gelassen mit meinen Wünschen. Manchmal träume ich von einer Frau, die da ist, wenn ich nach Hause komme. Die wissen will, wie der Tag für mich war, und die zuhört, wenn ich über den Streß jammere, oder die mir ab und zu sagt, daß sie mich toll findet, wenn ich ihr einen besonders komplizierten Fall schildere, für dessen Aufschlüsselung mir eine blendende Idee gekommen ist.« Er hielt einen Moment lang inne. »Das gleiche möchte ich dir ja auch geben«, fuhr er dann fort, »ich hoffe jedenfalls, daß es das wirklich ist, was ich will. Daß hinter meiner Frustration nicht in Wahrheit steckt, daß ich mit deinem Erfolg und deiner Popularität nicht zurechtkomme.«
    Es war sein stetes Bemühen um Ehrlichkeit gegen sich selbst, das Barbara immer am meisten an ihm geschätzt hatte. Er versuchte nie, sich vor der Wahrheit zu verstecken.
    »Du bist kein bißchen weniger erfolgreich als ich«, sagte sie, »es sind nur andere Dinge, mit denen du dich beschäftigst. Du weißt, wie angesehen du bist!«
    »Und du bist beliebt und bekannt.«
    Barbara setzte sich wieder an den Tisch, ließ die verkochten Kartoffeln im Wasser auf dem Herd stehen. »Ralph, das war meine Wahl nach dem Studium. Du hättest dich dafür ganz genauso entscheiden können, deshalb bin ich nicht besser als du. Wir haben uns jeder nach seinen Neigungen orientiert. Und du hast mich für meine Wahl wesentlich häufiger angegriffen als ich dich für deine. Genaugenommen habe ich dich überhaupt nie deswegen angegriffen.«
    »Ich fand immer, du bist als Juristin zu gut, um in den Schlagzeilen billiger Boulevardblätter verbraten zu werden.«
    »Das ist doch nur ein Aspekt, und nicht der Entscheidende. Wichtig ist, daß mir meine Arbeit soviel Spaß macht. Ich liebe Menschen. Ich liebe es, mit ihnen zu sprechen. In ihre Abgründe zu schauen. Ich brauche das. Zum Beispiel der Fall Kornblum, den ich letzte Woche gewonnen habe. Natürlich habe ich den Ehrgeiz, Prozesse zu gewinnen, das ist bei jedem Anwalt so, auch bei dir. Aber was mich während der ganzen Geschichte vor allem antreibt, ist, herauszufinden, mit welcher Art Mensch ich es zu tun habe. Wie sieht und wie sah sein Leben aus? Was hat dazu geführt, daß er in die Lage gekommen ist, mich, einen Anwalt, zu brauchen? Kornblum ist nie über die Grenzen der Kleinstadt hinausgekommen, in der er Bürgermeister war. Er war dort der gute Junge, der es zu etwas gebracht hat. Man war sehr stolz auf ihn. Aber er selber hatte riesengroße Probleme. Er wollte weiter hinauf, höher — und wußte, daß er das Format dazu nicht hatte. Er würde immer eine Lokalgröße bleiben, seine Abende bei Zusammenkünften des Schützenvereins, der Kaninchenzüchter, der Faschingsgarde verbringen. Deren Stimmen brauchte er, aber er hat sie alle gehaßt. Daß er sich mit einer Prostituierten aus

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