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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Blick, diesen scharfen Adlerblick aus hellblauen Augen, umherschweifen. »Sehr gepflegt!«
    Laura richtete sich auf, unterdrückte ein Stöhnen wegen des ziehenden Schmerzes in ihrem Rücken. »Nun ja«, sagte sie bescheiden, während ihr vor Stolz und Glück das Blut in die Wangen schoß.
    »Aber er wird nie wieder so sein wie in der Zeit, als Mutter noch lebte«, fuhr Frances fort. »Sie hatte eine unwahrscheinliche Beziehung zu Pflanzen. Sie sprach sogar mit ihnen — in ihrem furchtbaren Dubliner Dialekt, den keiner von uns verstehen konnte. Manchmal schien es, als müsse sie einer Blume nur gut zureden, und schon begann diese zu blühen. Ihr Garten war überall in der Gegend berühmt.«
    Die Freude erlosch. Sie zerbrach, als habe sie jemand mit Fußtritten traktiert. Zurück blieb eine tiefe Verletztheit.
    Warum kannst du nie wirklich nett sein? hätte Laura am liebsten geschrien. Warum kann ich es dir nie recht machen? Warum merkst du es nicht mal, wenn du mir weh tust?
    Sie hatte etwas gemurmelt und sich rasch abgewandt, damit Frances die Tränen in ihren Augen nicht sehen konnte. Es war nicht schwer, Kummer vor Frances zu verbergen. Sie bekam selten mit, wenn es jemandem schlechtging.
    Daß die Wunde bis heute so brannte! Laura erhob sich, angelte nach ihrem Bademantel und trat ans Fenster. Unten brannten die Straßenlaternen. In ihrem Lichtschein konnte sie den Regen rauschen sehen. Der Fußboden war kalt, sie krümmte die Zehen.
    Am selben Tag, erinnerte sie sich plötzlich, war damals Lilian Leigh von Daleview herübergekommen. Sie war einfach in die Küche geplatzt, wo Frances und Laura beim Abendessen saßen. Frances verschloß nie die Haustür, was Laura leichtsinnig fand. Lilian war weiß gewesen wie die Wand. Sie hielt ein blutgetränktes Taschentuch gegen den Mund gepreßt und weinte hysterisch. Ihre Lippe war aufgeplatzt, und sie hatte einen Zahn verloren. Wie sich herausstellte, ging das auf Fernands Konto, dem sie in irgendeiner unbedeutenden Angelegenheit widersprochen hatte.
    »Jedesmal geht es so«, schluchzte sie, »jedesmal. Wenn nicht alles passiert, wie er es will. Er verliert völlig die Beherrschung!«
    »Warum, um Himmels willen, lassen Sie sich das gefallen?« fragte Frances perplex, während Laura mit einer sauberen, nassen Serviette Lilians Verletzung auswusch.
    »Wie soll ich mich denn wehren«, heulte Lilian, »er ist zehnmal stärker!«
    »Also, zur Not bliebe ja zumindest die Lösung, daß Sie sich scheiden lassen und von ihm weggehen«, sagte Frances, »und Sie nehmen ihn natürlich richtig aus dabei.«
    »Ich kann nicht von ihm weg«, flüsterte Lilian.
    »Warum nicht?«
    »Ich liebe ihn.«
    Frances hatte es die Sprache verschlagen, während Laura dachte, daß sie es verstehen konnte. Für Frances waren diese Dinge klar und einfach. Sie würde nie hinter das komplizierte Seelengeflecht einer Abhängigkeit blicken. Und sie würde dafür immer nur Verachtung aufbringen.
    Laura hatte es erschüttert, von Fernand so schreckliche Dinge zu hören. Sie hatte ihn aufwachsen sehen, hatte ihm sein Lieblingsessen gekocht, wenn er zu Besuch kam, hatte ihm Kuchen eingepackt, wenn er nach den Ferien ins Internat zurückmußte. Sie hatte ihn gemocht, er war Teil ihrer kleinen Welt, die friedlich zu erhalten sie sich stets so sehr bemühte. Als erwachsener Mann sah Fernand so attraktiv aus, daß Laura manchmal Regungen in sich verspürte, die sie sich sofort verbot. Sie war sechzehn Jahre älter, eine unscheinbare, graue Maus. Für Fernand war sie nichts als die nette, etwas betuliche Laura, die ihm immer noch sein Lieblingsessen kochte. Mehr würde sie nie für ihn sein. Und er sollte für sie nichts anderes sein als der freundliche Junge, der freundliche Mann aus der Nachbarschaft.
    An jenem Tag hatte er ein anderes Gesicht gezeigt, von dem Laura keine Ahnung gehabt hatte. Es war, als werde ein giftiger Stachel in die Idylle getrieben - oder in das Bild einer Idylle, an dem Laura so beharrlich festhielt.
    Bis heute, dachte sie nun, bis heute ...
    Sie merkte, wie eisige Kälte in ihr hochkroch, während sie so am Fenster stand und in den Regen hinaussah. Sie würde sich jetzt doch einen Tee machen, ob Marjorie nun aufwachte oder nicht. Einen schönen, heißen Tee. Die einzige Waffe gegen das Frösteln, das aus der Erinnerung kam.

    Es war halb sieben am Morgen, und Barbara war vom Hunger erwacht. Das hohle, nagende Gefühl im Bauch hatte sie sogar bis in den Schlaf verfolgt; sie hatte

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