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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ihr einen verächtlichen Blick zu. »Lilian, es ist ziemlich verhängnisvoll, wenn man die Schuld immer bei anderen sucht, weil sich dann nämlich nie etwas ändert. Was immer Fernand mir angetan hat — es gehörten immer zwei dazu. Einer, der etwas tut, und einer, der es sich gefallen läßt. Und was mich so wütend gemacht hat, war, daß ich immer alles mit mir habe geschehen lassen. Mein Leben lang. Siebzig Jahre lang.«
    Barbara nickte. Sie verstand.
    »Erst Frances, dann Fernand. Marjorie hatte ganz recht — Frances hat mich nicht besonders gut behandelt. Aber ich habe es zugelassen, so wie ich nachher Fernands Erpressungen zugelassen habe. Ich war ihnen allen ausgeliefert, weil ich an etwas festgehalten habe, das ich längst hätte loslassen müssen. Längst! Nämlich Westhill. Hätte ich es nur losgelassen, ich wäre frei gewesen, und sie hätten mir alle nichts mehr anhaben können.«
    »Aber jetzt ist es doch zu spät«, sagte Lilian.
    Lauras Augen blitzten. »Zu spät? Weil ich siebzig bin? Ich habe nicht vor, in den nächsten zwei Jahren zu sterben! «
    »Nein . . . weil doch Fernand jetzt sowieso nichts mehr tun kann. Und Frances ist lange tot. Jetzt nützt es doch gar nichts mehr, wenn du dich von Westhill trennst! «
    »Wahrscheinlich kannst du es nicht begreifen, Lilian«, seufzte Laura. »Ich muß das für mich tun. Es ist wichtig. Ich will es los sein. Ich will die Ketten wirklich über Bord werfen! «
    »Ich denke, Sie tun das Richtige, Laura«, sagte Barbara. »Haben Sie schon eine Idee, wohin Sie gehen möchten?«
    »Irgendwohin in den Süden, Somerset vielleicht. Ich bin als Kind einmal in Somerset gewesen, und es hat mir gut gefallen. Das Klima ist recht angenehm. Für mein Rheuma sicher besser als die langen, kalten Winter hier oben, und die vielen nebligen Tage im Herbst, und die Stürme im Frühjahr . . .« Sie biß sich auf die Lippen.
    Sie liebt es, dachte Barbara, sie liebt es immer noch. Aber manchmal bleibt einem eben nichts übrig, als sich von dem zu trennen, was man liebt. Vielleicht wird mir und Ralph auch nichts anderes übrigbleiben. Wir werden sehen.
    Sie stand auf. »Kommt, wir räumen den Tisch ab. Ich möchte ein wenig spazierengehen. Es ist so schön draußen. Wenigstens zum Dorf hinunter und wieder herauf ist ja der Weg frei.«
    »Ich möchte lieber hierbleiben«, sagte Lilian sofort. Nach allem, was geschehen war, hatte sie panische Angst, einem Dorfbewohner zu begegnen.
    »Laura?«
    »Ich bleibe auch hier. Es gibt so viel zu tun. Gehen Sie nur allein, Barbara. Sie müssen sich sicher auch noch über manches klarwerden. «
    Einträchtig räumten sie gemeinsam den Tisch ab, spülten das Geschirr, ordneten es in die Schränke und Schubladen. Dann ging Lilian hinauf in das Zimmer, das Laura ihr zur Verfügung gestellt hatte. Barbara zog ihren Mantel und ihre Stiefel an. Als sie gerade nach ihren Handschuhen greifen wollte, tauchte Laura hinter ihr auf, lautlos und schattenhaft.
    »Barbara, einen Moment nur noch...«
    Sie nahm sie am Arm, zog sie hinter sich her ins Wohnzimmer.
    »Was ist denn?« fragte Barbara.
    Laura wirkte verlegen. »Es ist... ich wollte Sie nur etwas fragen«, sagte sie. Sie hielt ihre Stimme gesenkt, als befürchte sie, ein Dritter könne Zeuge des Gesprächs werden. »Sie werden denken, daß es dumm ist von mir, aber . . .«
    »Worum geht es denn?«
    »Nun . . . diese Aufzeichnungen von Frances Gray . . . es gibt sie ja nicht mehr. Niemand kann sie mehr lesen. Sie sind der einzige Mensch, der sie kennt.«
    »Ja?«
    »Und da wollte ich von Ihnen wissen . . .«, Laura nestelte an ihrer Küchenschürze herum, »nun, ich wollte wissen, ob . . . Es sollte mir ja egal sein. Ich will ein neues Leben beginnen, und dazu gehört auch, daß ich aufhöre, Frances so zu verklären und so an ihr zu hängen. Ich will mich auch darum bemühen. Marjorie hatte wirklich recht, das habe ich nicht nur so dahingesagt, wissen Sie. Frances hat mich bestimmt manchmal . . . verachtet . . .«
    Barbara nahm die Hand der alten Frau, hielt sie fest. »Was möchten Sie wissen, Laura?«
    Laura flüsterte: »Können Sie mir vielleicht sagen, was sie über mich geschrieben hat? War es nur verächtlich, oder . . . hat sie auch das eine oder andere Gute über mich gesagt?«
    Am Blick ihrer Augen erkannte Barbara, daß Lauras Seelenfrieden von der Beantwortung dieser Frage abhing — ganz gleich, um welch große Erkenntnis sie auch reicher geworden sein mochte. Sie beschloß, ihr diesen

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