Das Haus der Seelen: Roman (German Edition)
Kinder.«
***
Sie gingen langsam die letzten Stufen hinauf und nahmen sich Zeit. Alle vier waren sehr müde; körperlich, geistig und emotional. Sie hielten immer wieder vor den Schwingtüren an, an denen sie vorbeikamen, und lauschten in die Stille hinein, aber sie sahen oder hörten nie etwas von dem, was sich in den anderen Stockwerken befand. Die einzigen Geräusche waren ihre Füße, die auf den Stufen scharrten, und der eigene stoßweise und angestrengte Atem.
Je höher sie in diesem Gebäude kamen, desto schwerer war die Luft zu atmen. Jedes Stockwerk, das sie erreichten, brachte sie dem Territorium der Neuen Menschen näher und trug zu dem Gewicht bei, das auf Körper und Seele lastete. JC kämpfte sich weiter vor, jeder Schritt war ein klein wenig schwerer, verbrauchte mehr Kraft, mehr Mut, mehr konzentrierten Willen. Als ob er gegen einen Teil von sich kämpfte, der nicht weitergehen wollte. Der nicht wissen wollte, wer oder was diese Neuen Menschen waren. Die Absicht, sich in die Hände von lebenden Göttern zu begeben, war etwas Schreckliches. Aber JC senkte den Kopf und schob sich weiter, weil er verdammt sein wollte, wenn er irgendeinem Druck nachgab, käme dieser nun von außen oder von innen. Er hatte eine Aufgabe, und die würde er erledigen. Das war vielleicht das Einzige, woran er glaubte.
»Ich kann das Gefühl nicht abschütteln, dass wir beobachtet werden«, sagte Melody. »Geht das noch jemandem so?«
»Wir gehen auf etwas zu«, sagte Kim. »Ich kann’s fühlen.«
»Sie wissen, dass wir kommen«, erklärte JC. »Die Neuen Menschen. Sie warten auf uns, diese eingebildeten Bastarde.«
»Ich werde auf keinen Fall irgendwo in deiner Nähe stehen, wenn wir sie treffen«, verkündete Happy. »Was glaubst du, wie sie aussehen?«
»Wahrscheinlich ähneln sie uns sehr«, sagte Melody. »Ich meine, kommt schon – egal, welche Änderungen oder Verbesserungen ReSet an diesen Leuten vorgenommen hat, sie betrafen wahrscheinlich die mentale oder geistige Ebene. Selbst die Kreaturen, Gog und Magog, waren immer noch von menschlicher Statur. Am meisten betroffen war ihr geistiger Zustand, der hat sie zu dem gemacht, was sie waren. Ich glaube, wir schreiben diesen Neuen Menschen gerade mehr zu, als sie vernünftigerweise sein können.«
Plötzlich hielt JC an, lehnte sich erschöpft aufs Geländer, um zu Atem zu kommen, und sah die Stufen hinunter zu den anderen. »Wenn ich die Stockwerke richtig gezählt habe, dann wird uns dieser letzte Abschnitt zu den letzten Schwingtüren führen und damit zum letzten Stockwerk dieses Gebäudes. Happy, kannst du irgendetwas aufschnappen?«
»Etwas Großes und Angsteinflößendes«, sagte Happy. Er stützte sich schwer auf Melodys Schulter, sein Gesicht war schweißüberströmt und hatte eine ungesunde Farbe angenommen. »Es kostet mich sämtliche Schilde, um sie aus meinem Kopf rauszuhalten. Frag mich nicht, was das ist, JC. Oder was die Ursache ist. Ich glaube, es ist die Präsenz der Neuen Menschen, die so schwer auf der Realität liegt und alles andere überwältigt. Einfach indem sie hier sind, indem sie existieren, sind sie das Wichtigste, das es gibt.«
JC runzelte die Stirn. »Du hast doch nicht wieder deine kleinen Pillen genommen?«
»Ich wünschte, das hätte ich«, erklärte Happy. »Ich wäre froh, wenn ich auf einer rosa Wolke der Meditation davonschweben könnte. Aber ich traue mich nicht. Ich würde nicht wagen, so offen und verletzlich zu sein. Wenn wir in dieser Situation nicht hundertprozentig bei der Sache sind, wird uns das alle umbringen. Da kannst du gutes Geld drauf wetten.«
»Mein kleiner Junge wird erwachsen«, sagte JC. »Ich bin so stolz.«
»Schieb dir das mal schön in den Arsch«, knurrte Happy.
Plötzlich sprach über ihnen eine Stimme. Eine sehr menschliche, sehr bekannte Stimme.
»Gut gemacht, ihr werten und treuen Diener. Ich war wirklich nicht sicher, ob ihr es so weit schaffen würdet.«
Sie alle starrten aufmerksam in die Ecke über ihnen, aus der jetzt langsame und regelmäßige Schritte zu ihnen herunterkamen. Dann kam er um die Ecke, stand auf den obersten Stufen und lächelte weltgewandt. Robert Patterson in seinem adretten Stadtanzug, elegant und ungerührt wie immer, sah sehr selbstzufrieden aus. Groß, dunkel, ein rasierter Kopf und eine edel geschwungene Augenbraue, gutaussehende Züge und ein herablassendes Lächeln – ein hoher Funktionär des Carnacki-Instituts, der ganz definitiv nicht hätte hier sein
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