Das Haus der Seelen: Roman (German Edition)
gewusst. Ich glaube nicht, dass die Zeit für sie so funktioniert wie für uns. Sie haben uns diesen Platz zugewiesen, damit wir euch davon abhalten, sie zu belästigen. Weil wir so hervorragende Kettenhunde sind.«
»Ich glaube euch nicht«, sagte JC.
»Glaubst du, das kümmert uns?«, fragte Gog. »Wir kümmern uns um nichts. Das müssen wir nicht mehr.«
JC wandte den Kopf leicht zu den anderen. »Schon irgendwelche guten Ideen?«
»Ich bin fürs Weglaufen«, erklärte Happy. »Beine in die Hand und Vertrauen in den Herrn. Sich trennen und hoffen, dass sie uns nicht alle kriegen. Obwohl selbst ich nicht glaube, dass das eine gute Idee ist.«
»Normalerweise würde ich sagen, kein Rückzug ohne Kampf«, sagte Melody. »Aber schau dir bloß die Größe dieser Viecher an! Sie sehen aus, als ob sie einen Wal heben könnten.«
»Sie sind der dreiköpfige Cerberus, der die Tore zum Himmel und der Hölle bewacht«, sagte Kim. »Wir müssen an ihnen vorbei, wenn wir zu den Neuen Menschen wollen. Deshalb haben die Neuen Menschen sie hier hingesetzt. Um uns zu testen, um zu sehen, ob wir es wert sind, dass sie mit uns reden.«
»Du würdest nicht zufällig wieder leuchten wollen?«, wollte Melody von Kim wissen.
»Ich hab’s versucht, seit ich diese Viecher zum ersten Mal gesehen habe«, erwiderte Kim. »Nicht einmal ein Glimmen.«
»Großartig«, motzte Happy. »Wir können nicht fliehen, und wir können nicht kämpfen. Was bleibt da noch übrig? Hoffen, dass sie an uns ersticken, wenn sie uns fressen?«
JC wandte sich wieder an Gog und Magog. »Was wollt ihr? Was wollt ihr von uns?«
»Vielleicht wollen wir nur mit euch spielen«, erwiderte Gog. »Fangen spielen, in den Dschungel hinein und wieder heraus. Wir sind die Fänger.«
»Wir sind die Ausgestoßenen«, sprach Magog weiter. »Für uns ist kein Platz in der herrlichen neuen Welt, die da kommt. So können wir genauso gut die Zeit genießen, die uns noch gelassen wurde. Und unsere Frustration an euch auslassen.«
»Ihr seid gute Menschen«, sagte Gog. »Das wissen wir genau. Ihr stinkt danach. Wir werden euch schreien und leiden lassen.«
»Zu unserem Vergnügen«, fügte Magog hinzu.
»Hab ich doch gesagt«, sagte Happy. »Monster, an Körper und Seele. Hey, wartet mal eine Sekunde … Etwas hat sich geändert. Etwas hat sich gerade geändert.«
»Was?«, fragte Kim und sah sich um. »Sind da noch mehr von denen?«
»Das sind nicht die«, erwiderte Happy. »Es ist der Dschungel. Seht euch den Dschungel an …«
»Oh mein Gott!«, hauchte Kim.
»Was?«, wollte JC wissen. »Was ist mit dem Dschungel?«
»Er wächst«, antwortete Melody. »Sieh dir das an. Der Dschungel kommt näher.«
Sie alle sahen hin. Die heiße und feuchte Dschungelwelt war herangerückt. Der blutrote Waldrand kroch zentimeterweise vorwärts. Lianen und Ranken hingen von der nahen Decke, wanden sich langsam, zuckten in Richtung der Gruppe, als ob sie von geträumten Gedanken angetrieben würden. Das Summen der Insekten war lauter, die Schreie der Vögel klangen näher, und der schwere Geruch verrottender Vegetation und ihres Verfalls wehte überall um sie herum. Die blutrote Welt hatte den verbleibenden Rest des Stockwerks überwuchert und kroch auf die Gruppe zu wie ein stilles Raubtier, während ihre Aufmerksamkeit Gog und Magog gegolten hatte. Die beiden Kreaturen lachten sich still an.
»Er ist in meinem Kopf!«, rief Happy auf einmal. »Der Urwald ist in meinem Kopf!«
JC schüttelte langsam den Kopf, als sei etwas nicht in Ordnung. Er konnte den Druck der Wildnis, der Kreatur spüren, die ihm immer näher kam. Er roch es in der Nase und schmeckte es in seinem Mund. Er spürte den feuchten Schweiß auf der Haut und tief in sich, im Kopf und in seinem Herzen die dunkle, atavistische Versuchung. Das Menschsein los- und die Kreatur freizulassen … frei zu sein von allen Beschränkungen und einem Gewissen … JC schüttelte den Kopf und weigerte sich, dem nachzugeben. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, und er biss die Zähne zusammen, bis seine Kiefer schmerzten. JC gab nicht nach, ob der Druck nun von außen kam oder von innen. Er tat es nicht.
Er sah sich um, um zu schauen, wie es den anderen erging. Happy und Melody kauerten auf dem Boden, beinahe auf allen vieren. Happys Gesicht war nass von Schweiß. Melody erkannte, dass JC sie ansah, und knurrte ihn aus den Tiefen ihrer Kehle an. Happy schlug mit den Knöcheln gegen den Boden.
»Es verwandelt uns, JC!
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