Das Haus der Seelen: Roman (German Edition)
verstehen. Das Universum und sein Zweck werden klar vor euch liegen. Alle Antworten auf alle Fragen, die ihr je hattet, werden euch gehören.
»Aber wir werden diese Fragen noch haben und auch ihre Antworten wünschen, wenn wir nicht mehr menschlich sind?«, wollte Melody wissen und trat ebenfalls neben JC. »Werden uns die Dinge, die uns jetzt als arme, begrenzte Menschen wichtig sind, dann auch noch etwas bedeuten?«
»Werden wir immer noch lieben?«, fragte nun auch Kim und stellte sich dazu. »Wird er mich noch wollen und ich ihn, wie ein Mann eine Frau will? Werden wir das noch haben?«
Habt keine Angst. Wir sind mehr als ihr, nicht weniger. Wir haben viel gewonnen und nichts verloren. Wir sind anders als ihr jetzt, aber das, was ihr seid, ist noch in uns.
»Das beantwortet die Frage nicht«, sagte JC. »Würden Kim und ich und Happy und Melody uns immer noch auf unsere einfache, menschliche Art und Weise lieben? Würden die fundamentalen Dinge immer noch zutreffen – Sorge und Mitleid, Ehrlichkeit und Ehre, Gut und Böse, Leben und Tod? Würden sie uns immer noch etwas bedeuten? Und wenn nicht, wie können wir dann noch wir selbst sein?«
Warum würdet ihr euch mit so etwas Geringem zufriedengeben wollen?
»Seht ihr?«, sagte JC. »Ihr seid diejenigen, die nicht verstehen. Ihr müsstet zerstören, was uns ausmacht – uns, um uns zu euresgleichen zu machen. Ihr seid zu weit gegangen, zu weit von uns fortgeschritten. Die Welt ist noch nicht für euch bereit. Noch nicht. Die Menschen sind noch nicht bereit für euch. Ihr könnt euch nicht einfach so an die Spitze der Warteschlange drängeln, an die Spitze der Evolution. Dort müssen wir von allein hinkommen, es allein erreichen, oder es ist ohne Bedeutung. Wir müssen es uns verdienen, durch eigene Mühen, einen Schritt nach dem anderen. Erinnert euch an das, was ihr wart. Wer ihr wart. Wie es sich anfühlte, menschlich zu sein. Kleine Freuden und kleine Erfolge sind nicht weniger real, nur weil sie klein sind. Erinnert euch daran, was ihr vom Leben wolltet, bevor der Chemie-Götze es euch auf dem Silbertablett serviert hat.«
Wir erinnern uns daran – aber nur als Traum. Ein langer Albtraum, aus dem wir endlich erwacht sind. Aber ja, wir erinnern uns daran.
»Glaubt ihr, es war Zufall, dass unsere überflüssige DNS einfach so blockiert wurde?«, fragte JC weiter. »Nein. Sie wartet, auf den richtigen Zeitpunkt. Darauf, dass wir bereit sind. Sie wird sich von selbst wecken, wenn die Bedingungen stimmen. Und dann – und nur dann – werden wir alle wie ihr sein. Wenn die Welt es braucht, dass wir so werden wir ihr. Denn dann werden wir es hoffentlich verdient haben.«
Die Neuen Menschen schwiegen. Sie schienen untereinander Zwiesprache zu halten, aber es war keine Sprache, die JC, Happy, Melody oder Kim begreifen konnten. Endlich sprachen sie wieder.
Ja. Jetzt ist nicht unsere Zeit. Wir sind Geister aus der Zukunft. Dort gehören wir hin. Und deswegen werden wir dorthin gehen. Jetzt.
Und sie waren fort. Alle, einfach so. Die übermächtige Präsenz der Neuen Menschen verschwand, schaltete sich aus, als sie sich in die Zukunft begaben. Und doch. JC war später sicher, dass einer der Neuen Menschen, die zu schrecklich transformierten lebenden Göttern geworden waren, diese göttliche Maske im Augenblick des Verschwindens fallengelassen hatte. Die junge Frau, die dieser Neue Mensch einst gewesen war, hatte ihm für einen winzigen Moment den Abglanz eines Lächelns geschenkt, bevor sie verschwunden war.
Die vier Geisterjäger, die drei Lebendigen und die Tote, sahen sich langsam um. Sie standen in einem leeren Raum im obersten Stockwerk eines Bürogebäudes in London, und alles andere, was sie gesehen hatten, war schon jetzt nur mehr eine verblassende Erinnerung. Die Welt war wieder so, wie sie sein sollte, und nur voller Dinge, die auch dorthin gehörten. Und das warme, bernsteinfarbene Licht der Straßenlaternen, das durch die Glasfenster fiel, war eine Wohltat.
»Das war’s?«, fragte Happy. »Ist alles vorbei?«
»Nein«, sagte JC. »Das hier ist vorbei, aber wir wissen immer noch nicht, wen oder was Patterson repräsentierte. Warum sie ausgerechnet uns wollten und was sie zu erzielen hofften. Erinnert ihr euch, was uns diese Agenten vom Crowley-Projekt erzählten, unten in der Oxford-Circus-U-Bahn-Station? Dass da Leute hinter den Kulissen stehen und die Grenzen der Welt schwächen, aus Gründen, die nur ihnen bekannt sind – und die nichts
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