Das Haus der Sonnen
Porzellan klirrte leise in unseren Händen. »Ihr Interesse schmeichelt uns«, fuhr Jindabyne fort, »doch ich komme mir vor wie eine Frau, die unseriöse Komplimente bekommt, weil sie etwas besitzt, das andere begehren. Was weiß Ihr Datenspeicher über den Geist zu berichten?«
»Er wird auch als Frakto-Koagulation bezeichnet«, sagte ich. »Es handelt sich um ein aus zahlreichen Elementen zusammengesetztes Luftwesen; früher war es einmal ein menschliches Wesen, ein Mann, der möglicherweise Valmik geheißen und in der Goldenen Stunde gelebt hat.«
»Dann scheint es so, als würden Sie Ihre Zeit verschwenden.«
Campion ergriff das Wort. »Wir haben dem Speicher entnommen, dass der Luftgeist hin und wieder Tote zum Leben erweckt hat, sowohl biologische als auch Maschinenwesen.«
»Außerdem hat er viele Wesen getötet, die noch gar nicht tot waren.«
»Der Speicher sagt aber auch, dass vielen dieser Vorfälle Provokationen vorausgegangen sind«, entgegnete Campion. »Die Betreffenden haben ein Verhalten an den Tag gelegt, von dem bekannt war, dass es den Geist verärgern würde.«
»Noch niemand hat sich dem Geist in der Absicht genähert, ihn zu reizen, Splitterling. Alle hielten sich für schlauer als ihre Vorgänger.«
»Wir nicht«, sagte ich. »Wir sind uns der Risiken voll bewusst und wissen, dass wir eine Begegnung möglicherweise nicht lebend überstehen werden. Aber wir müssen es trotzdem versuchen. Das sind wir unserem Freund schuldig.«
Jindabyne saugte an ihrer Pfeife. Im Kessel blubberte es heftig. »Das Maschinenwesen. Wäre es nicht besser, es Kadenz und Kaskade anzuvertrauen?«
»Wir werden sie natürlich zu Rate ziehen«, sagte ich, »aber Hesperus muss gewusst haben, dass der Geist ihm die besten Überlebenschancen bietet und nicht die anderen Maschinenwesen.«
Jindabyne kratzte sich am honigfarbenen Wangenpelz. Solange das Licht nicht in einem bestimmten Winkel darauf fiel, hätte man ihn für ganz normale Haut halten können. »Sie bringen mich in eine verzwickte Lage.«
»Wir bitten Sie lediglich um die gleichen Zugangsrechte, wie sie in der Vergangenheit zahllosen anderen Reisenden gewährt wurden«, sagte ich.
»Das waren andere Zeiten. Der Geist war berechenbarer. In letzter Zeit – ich spreche von Jahrhunderten, nicht von Jahren – ist er launischer geworden. Es haben sich einige unangenehme Zwischenfälle ereignet. Der Wissenschaftsrat hat die Verantwortlichen davon überzeugt, dass es zu keinen weiteren Gelegenheitsbegegnungen mehr kommen sollte. Bislang hat der Geist sein Missfallen lediglich gegenüber Einzelpersonen oder kleinen Gruppen zum Ausdruck gebracht, doch was geschieht, wenn er sich gegen die Gesamtheit der Bewohner von Neume wenden sollte? Man sagt, er habe die Plastikkultur und später die Versorger gestürzt.«
»Wenn ihm Ihre Gesellschaft lästig wäre, hätte er sich Ihrer bereits entledigt«, wandte Campion ein.
»Das sagt sich so leicht. Sie sind hier Gäste – Sie können jederzeit weiterfliegen. Sie sind nicht auf die Atemluft angewiesen, die der Geist uns zur Verfügung stellt.«
»Das verstehen wir durchaus«, sagte ich einfühlsam. »Wir treten mit einer ungewöhnlichen Bitte an Sie heran, und es steht Ihnen vollkommen frei, sie uns abzuschlagen. Aber ich verspreche Ihnen, dass wir nichts unternehmen werden, ohne uns mit dem Wissenschaftsrat abzusprechen. Sollte es Hinweise geben, dass wir das Missfallen des Geistes erregen, stellen wir unsere Aktivitäten unverzüglich ein.«
»Sie wissen, dass ich Ihnen Ihr Ersuchen nicht abschlagen kann«, sagte Jindabyne.
»Selbstverständlich können Sie das tun«, erwiderte ich.
»Tatsächlich? Während die Familie Gentian alle meine Bewegungen im Auge behält? Im Orbit um Neume befinden sich vielleicht weniger als fünfzig Raumschiffe, aber wir alle wissen, was sie anrichten könnten, falls wir uns weigern sollten zu kooperieren. Sie könnten diese Türme in Staub verwandeln, bis nichts mehr übrigbleibt als die Relikte der Hohen Güte.«
»So verhält es sich nicht«, sagte Campion. »Es ist nicht unsere Absicht, Sie unter Druck zu setzen.«
»Vielleicht glauben Sie das tatsächlich. Für Sie mag das zutreffen, aber wir haben es hier mit einer Familie zu tun, die der Körperschaft angehört. Und die Familien setzen immer ihren Willen durch. Ohne Ausnahme.«
»Aber wir haben Sie freundlich gebeten«, sagte ich flehentlich.
»In dem Wissen, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als Ihrem Ersuchen
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