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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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schaffen. Ich habe Bedenken, ihn in seinem gegenwärtigen Zustand zu transportieren.«
    »Es gibt keinen Grund, weshalb er hierher kommen sollte«, sagte Kaskade. »Es reicht, wenn wir ihn an Bord des Schiffes untersuchen.«
    »Sie sind nicht auf die Ressourcen von Ymir angewiesen?«, fragte ich.
    Kadenz erzeugte ein glucksendes Geräusch, das ich als die Maschinenentsprechung eines spöttischen Schnaubens auffasste. »Die Einwohner von Neume meinen es gut, aber wenn wir Hesperus mit ihren Maschinen reparieren wollten, wäre das so, als würden wir bei Ihnen mit ein paar Feuersteinsplittern eine Gehirnoperation durchführen wollen.«
    »Wenn man nur Feuerstein zur Verfügung hat, muss man sich damit begnügen.«
    Kaskades elfenbeinfarbene Gesichtsmaske verlagerte sich zu einem schwachen Lächeln. »Aber wir können es besser machen. Wir sind flexible Maschinen. Unsere gegenwärtige humanoide Gestalt haben wir aus Nützlichkeitserwägungen heraus angenommen. Es wäre ganz einfach für uns, die erforderlichen Schnittstellen herzustellen, die wir benötigen, um Hesperus zu helfen. Zunächst aber müssen wir an Bord des Raumschiffs gelangen.«
    »Das lässt sich machen. Aber ich würde ihn trotzdem gern hierher bringen.«
    »Dazu besteht kein Grund«, wiederholte Kadenz.
    »Das sehe ich anders. Die Sache ist kompliziert, aber Hesperus hat uns um einen Gefallen gebeten.« Ich holte tief Luft. »Sie halten sich bereits seit geraumer Zeit auf Neume auf – da wissen Sie vermutlich über den Luftgeist Bescheid.«
    »Ja«, sagte Kadenz wachsam.
    »Sind Sie in der Zwischenzeit mit ihm in Kontakt getreten?«
    Sie – ich konnte nicht anders, als die Maschine als Frau zu betrachten – schüttelte gebieterisch ihren schlanken Kopf. »Nein. Dazu bestand kein Anlass. Der Geist ist keine Maschinenintelligenz und deshalb für uns von untergeordnetem Interesse.«
    »Gilt diese Einstellung auch für Menschen?«
    »Ganz im Gegenteil. Organische Intelligenzen sind für uns äußerst faszinierend. Diese glibberige graue Masse, die ein Bewusstsein hervorbringt – wie sollte man nicht davon fasziniert sein?«
    »Der Geist«, sagte Kaskade, »stellt ein Übergangsstadium zwischen menschlichem und Maschinenbewusstsein dar. Sein Ursprung liegt im Dunkeln, seine Beschaffenheit ist instabil. Er weist zu viele Variablen auf, als dass er ein geeignetes Studienobjekt abgäbe.«
    Und außerdem, dachte ich, fürchtet vielleicht auch ihr euch ein wenig vor ihm. Wenn er Menschen Angst machte, dann mochte das auch für Maschinenwesen gelten. Campion, der an der anderen Balkonseite saß, fing meinen Blick auf und zwinkerte mir zu.
    »Nun, ich interessiere mich für ihn«, sagte ich. »Hesperus kannte unser Ziel. Wir glauben, dass es sein Wunsch war, mit dem Geist in Kontakt zu treten.«
    »Was versprechen Sie sich davon?«, fragte Kadenz.
    »Es gibt Belege dafür, dass der Geist in der Vergangenheit verletzte Pilger geheilt und beschädigte Maschinen instandgesetzt hat«, sagte ich. »Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Geist auch für Hesperus etwas tun kann.«
    »Oder er nimmt ihn vollständig auseinander.«
    »Dann würde ein Teil von ihm in das Gedächtnis des Geistes eingehen. Darauf wollte er es offenbar ankommen lassen.«
    »Das wäre ein höchst unorthodoxes Vorgehen«, sagte Kadenz.
    »Dass wir hier sind, ist unorthodox. Dass wir ein verletztes Maschinenwesen zu Gast haben, ist unorthodox.«
    »Trotzdem.«
    Es entstand ein Schweigen. Die Maschinen standen reglos da, doch die Lichter an ihrer Kopfseite flackerten und tanzten wie verrückte Glühwürmchen. Ich hatte den Eindruck, dass in meiner Gegenwart eine umfangreiche, unergründliche Unterhaltung geführt wurde, noch dazu in einer Geschwindigkeit, die sich meinem Begriffsvermögen entzog. Das sekundenlange Schweigen entsprach im beschleunigten Zeitrahmen eines Maschinenbewusstseins jahrelanger angeregter Debatte.
    Sie sind klüger als wir, dachte ich. Klüger, stärker und schneller, und schon bald wird es heißen, entweder wir oder sie.
    »Wir werden uns auf Ihr Raumschiff begeben und Hesperus untersuchen«, sagte Kadenz.
    Kaskade setzte hinzu: »Wir werden versuchen, uns mit ihm zu verständigen. Wenn das misslingt, haben wir nichts dagegen, wenn Sie ihn zur Planetenoberfläche bringen und dem Geist präsentieren.«
    Ich fühlte mich gleichzeitig benommen und beschwingt. Ich durfte sie nicht daran hindern, wenigstens den Versuch zu unternehmen, sich mit Hesperus zu verständigen.

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