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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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der bis jetzt geschwiegen hatte. »Wenn sie Hesperus untersuchen wollen, haben wir dann das Recht, sie daran zu hindern?«
    »Damit geraten wir in eine diplomatische Zwickmühle«, meinte Sainfoin nachdenklich. »Aber unsere Familie räumt der Gastfreundschaft seit jeher einen überragenden Stellenwert ein. Wenn Hesperus diese Bitte an Portula gerichtet hat, müssen wir ihr nachkommen. Das muss nicht zwingend heißen, dass wir das Maschinenvolk verärgern. Kadenz und Kaskade haben bislang großes Verständnis gezeigt, und ich nehme an, daran wird sich auch dann nichts ändern, wenn wir ihnen unseren Standpunkt erläutern.«
    »Du kennst sie besser als jeder andere von uns«, sagte Betonie zu Sainfoin, dem weiblichen Splitterling, der die beiden Robots zum Reunionsplaneten gebracht hatte.
    »Mit denen kann man reden«, meinte sie. »Sie haben Verständnis für unseren Standpunkt. Das heißt freilich nicht, dass wir keine Rücksicht auf ihre Vorschläge zu nehmen bräuchten.«
    »Du hast meine volle Rückendeckung, Portula«, sagte Akonit.
    »Meine auch«, versicherte Mezereum. »Und das gilt auch für Valeria, Luzerne und Melilo. Wenn sie erfahren, was Hesperus für uns getan hat, werden sie dich bedingungslos unterstützen.«
    »Ich danke euch«, sagte ich.
    »Auf mich kannst du ebenfalls zählen«, sagte Bilse.
    Ehe das zustimmende Gemurmel zu einem Sturm anschwellen konnte, nickte Betonie knapp. »Also gut – Portula wird von der Familie ermächtigt, die Verwaltung von Neume um Zugang zum Luftgeist zu ersuchen. Doch ehe du die Angelegenheit weiterverfolgst – hast du auch nur die geringste Ahnung, worauf du dich da einlässt?«
     
    Campion kam später am Vormittag in mein Zimmer, als ich gerade auf eine Antwort zu meinem Ersuchen um eine Audienz bei der Magistratin wartete. Ich stand auf dem kleinen Balkon mit der niedrigen Mauer, der seitlich aus dem Zimmer vorsprang und durch ein materiedurchlässiges Fenster zugänglich war, sammelte meine Gedanken und bemühte mich, mein Anliegen in die Form überzeugender, logischer Argumente zu bringen. Betonies rhetorische Frage hatte mich beunruhigt und den Anflug des Zweifels an die Stelle neutronendichter Gewissheit gesetzt. Ich hatte mir den Datenspeicher vorgenommen und in Erfahrung gebracht, dass das Missfallen des Geistes schon ganze Zivilisationen zu Fall gebracht hatte. Doch wir mussten dem Geist auch dankbar sein, weil er uns allen gestattete, auf Neume zu leben. Da es an größeren Organismen mangelte, war es der Geist, der dafür sorgte, dass die Atmosphäre im Zustand dynamischer Instabilität verharrte, dass das Kohlendioxid aus der Luft absorbiert und durch Sauerstoff ersetzt wurde. Aus Eigeninteresse machte eine Maschinenintelligenz so was nicht.
    Also duldete sie uns und förderte vielleicht sogar unsere Anwesenheit. Das hieß jedoch nicht, dass sie Nachsicht gegen mich üben würde, wenn sie mich als Ärgernis einstufen sollte. Ich betrachtete die strahlend blauen Himmelssplitter, die zwischen den goldenen Türmen Ymirs sichtbar waren, und fragte mich, ob ich wirklich den Mut aufbringen würde, zu tun, was getan werden musste.
    »Ich habe dir etwas mitgebracht.«
    Ich drehte mich um und erblickte Campion, der gerade auf den Balkon heraustrat. In der Hand hielt er ein Stück in Papier eingeschlagenes Schokoladenbrot.
    »Danke.«
    »Ich hatte nicht mehr Appetit als du, aber ich hab mir gedacht, du würdest im Laufe des Vormittags schon noch Hunger bekommen.«
    Ich nahm das Schokoladenbrot und biss eine Ecke ab. »Wie immer hast du Recht gehabt. Ich habe zwar Schmetterlinge im Bauch, bin aber trotzdem hungrig. Wie haben wir uns geschlagen, was meinst du?«
    »Furchtbar. Aber ich glaube, anderen wäre es an unserer Stelle auch nicht besser ergangen.«
    »Über Betonie habe ich mich gewundert.«
    »Ich nicht. Er ist ein Intrigant, der die Gelegenheit gekommen sieht, seinen Einfluss in der Familie zu vergrößern. Als Schwingel und die anderen Alphamännchen noch da waren, war das aussichtslos, doch jetzt hat er beinahe freie Bahn.«
    »Vergiss die Alphaweibchen nicht.«
    »Ist dir aufgefallen, dass er sich aufgespielt hat, als hätte man ihn bereits zum Kaiser ernannt? Und da besitzt er die Frechheit, mir vorzuwerfen, ich würde die Familientradition missachten! Wir sind eine egalitäre Gemeinschaft, ohne Führer.«
    »In Zeiten der Krise hat die Familie das Recht, ein entscheidungsberechtigtes Quorum einzusetzen.«
    »Ja – aber bisher ist es fast immer

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