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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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strengen Prognosen des Universalen Aktuariums zufolge) alle Anzeichen von Kurzlebigkeit zeigte und dazu bestimmt schien, binnen eines oder zweier Umläufe vom unaufhörlichen Wandel überrollt zu werden? Die Menschen von Neume dachten eher an das Heute, nicht an ein Jahrhundert in ferner Zukunft.
    Vielleicht lagen die Familien ja ganz falsch, dachte ich. Wir häuften Erfahrungen um ihrer selbst willen an, dehnten unser Leben über Zeiträume von Millionen Jahren hinweg aus, doch selbst dann, wenn alles gut lief – wenn wir nicht angegriffen und von der Auslöschung bedroht wurden -, wurden wir von einer neurotischen Angst beherrscht, und eine aufgeregte Stimme befahl uns, wachsam zu sein, um jede Ecke zu lugen und nichts unversucht zu lassen. Wir waren wie Kinder, die jede Süßigkeit im Laden ausprobieren mussten, auch wenn ihnen davon schlecht wurde. Wir wussten, dass die Galaxis mehr Geheimnisse barg, als wir jemals lüften konnten, doch die innere Stimme ließ es nicht zu, dass wir uns damit abfanden. Stattdessen forderte sie uns auf, uns noch mehr anzustrengen.
    Und wohin hatte uns das alles gebracht? Zweiunddrei ßig Umläufe, und ich hatte noch immer das Gefühl, nicht mehr zu wissen als in dem Moment, als ich so nackt wie eine frisch geborene Maulwurfsratte aus dem Brutreaktor getreten war, erfüllt von Abigails verrückter Sehnsucht, sich die Wirklichkeit anzueignen. Gesellschaften verhielten sich ebenso, ganz gleich, ob es sich um Stadtstaaten oder galaktische Reiche handelte. Alles kam und ging, alles war neu und voller Versprechen, die erst lockten und später dann fadenscheinig wurden, und alles ließ nur einen kleinen, verblassenden Fleck auf der Ewigkeit zurück, der mit der Zeit wieder verschwinden würde.
    »Da bist du ja wieder«, sagte Campion, der in der offenen Tür stand. Er war lautlos eingetreten, das Rascheln der Vorhänge und die von einem anderen Turm herüberwehende Blasmusik hatten das Geräusch seiner Schritte übertönt. Es war Wochenende, und die Einheimischen feierten, bevor sie von der Arbeit nach Hause flogen.
    »Ja«, sagte ich und drehte mich mit ausdrucksloser Miene um.
    »Ich war bei Mezereum«, sagte er und tippte auf sein Chronometer. »Wir hatten sechs Stunden vorgewählt. Die Zeit verging blitzschnell – nur ein paar Minuten subjektiver Zeit. Erst als ich wieder rauskam, wurde mir bewusst, wie spät es schon war. Es tut mir wirklich leid – ich wäre bei deiner Rückkehr gern hier gewesen.«
    Ich fühlte mich elend, so niedergeschlagen, dass ich bereit war, ihm alles zu verzeihen. Mehr als eine Andeutung, dass er mich eigentlich hatte erwarten wollen, brauchte ich nicht. Dass er unter dem Einfluss von Synchromasch das Zeitgefühl verloren hatte, daraus konnte ich ihm keinen Vorwurf machen – das war uns allen schon mal passiert.
    »Du hast mir gefehlt«, sagte ich. »Es ist nicht besonders gut gelaufen.«
    »Das tut mir leid.« Campion trat ins Zimmer, beugte sich übers Bett und küsste mich. »Erzähl mir, was passiert ist – falls du darüber reden möchtest.«
    »Eigentlich gar nichts. Sie haben ihn lange berührt, dann haben sie gemeint, sie könnten nichts für ihn tun. Er sei nicht tot, aber sie könnten ihm nicht helfen. Dafür müssten sie ihn zum Maschinenvolk bringen, doch es sei nicht sicher, ob er die Reise überstehen werde.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Hier. In einem anderen Raum. Sie waren einverstanden damit, dass ich ihn mitnehme.«
    »Gibt es etwas Neues zum Geist?«
    »Nichts.«
    »Es eilt ja nicht. Wenn sich morgen nichts tut, bitten wir um eine weitere Unterredung mit der Magistratin. Sie wird schon nachgeben. Irgendwann tut das jeder.«
    Ich konnte mich seinem Optimismus nicht anschließen, doch ich war zu müde und enttäuscht, um mit ihm zu streiten. Campion ließ zwei Gläser kalten Weißwein zubereiten. Anstatt mir ein Glas ans Bett zu bringen, trat er mit den in seiner Hand klingenden Gläsern auf den Balkon hinaus. Ich stand widerwillig auf und folgte ihm nach draußen; die Schuhe ließ ich neben dem Bett stehen. Die Musik schwoll in Wellen an und ab, als würde sie mit der falschen Geschwindigkeit gespielt.
    »Erzähl mir, wie es bei Mezereum gelaufen ist«, sagte ich.
    Er berichtete mir von den Ereignissen des Nachmittags. »Wir wissen mehr als heute Morgen. Der Mann heißt Dorn, ein Splitterling des Hauses Mellicta. Und er weiß mehr über das Haus der Sonnen, als er zugeben will.«
    »Wessen Idee war das, ihn danach zu fragen?«
    »War nur

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