Das Haus der Sonnen
so ein Einfall.«
Ich nahm ihm ein Glas aus der Hand. »Aber ein guter.«
»Wir wissen noch immer nicht, was es damit auf sich hat. Vielleicht ist es eine geheime Familie, von der nicht einmal die Körperschaft weiß. Und was haben die Marcellins und die Mellictaner damit zu tun?«
»Oder die Gentianer. Wir sind ebenfalls in die Sache verwickelt.«
»Weil man uns angegriffen hat?«
»Weil jemand vor dem Angriff unsere Reihen unterwandert hat. Das haben wir bereits herausgefunden. Sonst wäre es nicht möglich gewesen, die H-Waffen nahe genug an den Planeten heranzuschaffen.«
»Daran möchte ich am liebsten gar nicht denken«, sagte Campion. »Die Vorstellung, dass es da draußen eine andere Familie geben könnte, die es auf uns abgesehen hat, ist schon schlimm genug, da will man im Gras nicht auch noch nach Schlangen Ausschau halten.«
»Es könnte auch einer von uns sein.«
»Meinst du, einer von uns beiden?«
»Ich meine die Überlebenden – es könnte einer der Gentianer sein, die es bis nach Neume geschafft haben. Wenn jemand von dem Angriff gewusst hat, hätte er sich rechtzeitig verstecken und dann so tun können, als habe er nur mit knapper Not überlebt. Woher sollen wir wissen, dass die Schlange nicht mit uns am Frühstückstisch sitzt und nur auf eine günstige Gelegenheit wartet, um uns den Rest zu geben? Einige von uns haben ein seltsames Verhalten an den Tag gelegt.«
»Meinst du Betonie?«, fragte Campion, der nicht wahrhaben wollte, dass es in unseren Reihen Spione geben könnte. »Nein, der kommt nicht in Frage. Er hat lediglich die Gelegenheit genutzt, auf unsere Kosten ein paar Punkte gut zu machen. Das könnte nur jemand sein, der sich bedeckt hält und den wir deshalb noch gar nicht in Betracht gezogen haben.«
»Oder es gibt gar keinen Spion«, setzte ich hinzu. »Vielleicht gibt es gar keine Schlange.«
»Das könnte schon sein. Aber solange wir keine Gewissheit haben, müssen wir vom Schlimmsten ausgehen. Wir sind selbstgefällig geworden – nur deshalb wären wir um ein Haar ausgelöscht worden. Man hätte die Schiffe nach versteckten Waffen durchsuchen sollen, bevor sie bis auf Schussweite an die Reunionswelt herangekommen sind.«
»Das hilft uns jetzt nicht weiter. Außerdem, hast du eine Ahnung, wie lange das gedauert hätte? Länger als die eigentliche Reunion. Stell dir nur mal vor, wie lange es dauern würde, den Hangar der Silberschwingen zu durchsuchen – dabei bin ich noch nicht mal die größte Sammlerin.« Ich schüttelte den Kopf. »Keine gegenseitigen Beschuldigungen, kein Wiederaufwärmen alter Geschichten. Unsere Vorgehensweise hat sich zweiunddreißig Umläufe lang bewährt. Deshalb kann nicht viel falsch daran gewesen sein.«
Nach kurzem Schweigen sagte Campion: »Weißt du, woran ich immer wieder denken muss? Wir hätten diese Welt niemals besucht, wenn uns nicht ein Unglück zugestoßen wäre. Wir hätten nicht den Gesang der Dünen gehört, hätten diese wundervolle Stadt nie gesehen … Vielleicht wären wir irgendwann in ferner Zukunft hierher gekommen, doch dann hätten wir ein anderes Neume angetroffen. Dann wären wir vielleicht ein Dutzend Zivilisationen weiter gewesen und die Ymirer nur noch eine Erinnerung.«
Ich trank einen großen Schluck Wein, denn ich wollte, dass er mir so schnell wie möglich zu Kopf stieg. »Du bemühst dich, auch etwas Gutes darin zu sehen, aber ich weiß nicht, ob ich dir dabei folgen kann.«
»Ich meine ja nur … das ist ein seltsames Universum. Es steckt immer noch voller Überraschungen. Deshalb lohnt sich wohl auch das Weitermachen. Wenn ich das Gefühl hätte, dass wir immer wieder einen feststehenden Rahmen von Erfahrungen in unterschiedlicher Abfolge durchleben müssten …«
»Das wäre doch gar nicht so schlecht, wenn es nur angenehme Erfahrungen wären. Oder wirst du der Sonnenuntergänge allmählich überdrüssig?«
»Nein«, sagte Campion.
»Findest du Wasserfälle oder Bäche langweilig?«
»Nein.«
»Dann besteht für uns noch Hoffnung.«
Hinter mir läutete es. Ich reichte Campion mein Weinglas, wandte mich um und trat ins Zimmer. Als ich vor der Konsole saß, erblickte ich das Gesicht der Magistratin Jindabyne.
»Ich hatte im Moment nicht mit einem Anruf von Ihnen gerechnet«, sagte ich.
»Habe ich nicht gesagt, ich würde mich bei Ihnen melden?«, erwiderte sie, ohne ihre Verstimmung zu verbergen.
»Ich wollte damit nur sagen, es ist schon spät.«
»Es ist noch nicht einmal Mitternacht. Ich
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