Das Haus der Sonnen
auch Raum und Zeit mit Riesenschritten durchmessen. Das war ein Ehrfurcht gebietendes Vorhaben, das jede Vorstellungskraft sprengte, von der Umsetzung ganz zu schweigen. Dennoch wollte sie ihren Plan verwirklichen.
Der Gedanke, der in meinem Kopf brannte, war folgender:
Wenn sie das kann, weshalb kann ich es dann nicht auch?
Als uns das Familienshuttle nach Hause brachte, geschahen zwei bemerkenswerte Dinge. Ich wandte mich an Madame Kleinfelter und sagte: »Sie werden uns für unseren Sachverstand eine Menge Geld zahlen, nicht wahr?«
»Sagen wir mal so: Das Haus wird eine ganze Weile keine Geldsorgen mehr haben. Und dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass Ludmilla Nachahmer finden könnte. Aber das wird sie – denk an meine Worte. Selbst dann, wenn ihre tausend Raumschiffe in die Sonne stürzen würden, werden andere es ihr nachtun wollen. Und jeder Einzelne wird zur Herstellung der Klone auf die Technologie der Gentianer angewiesen sein.«
»Dann befinden wir uns in einer starken Verhandlungsposition.«
»Ja, seit langer Zeit wieder.«
»Wurden die Verträge bereits ausgearbeitet?«
Sie bedachte mich mit einem seltsamen Blick, als hätte ich eine unschickliche Bemerkung gemacht. »Es sind noch ein paar Details auszuarbeiten, aber die grundlegenden Elemente der Vereinbarung …«
»Wir brauchen ihre Raumschiffe«, sagte ich.
»Die Raumschiffe sind für Ludmilla Marcellin gedacht. Sobald die vorgesehene Anzahl erreicht ist, wird sie die Produktion einstellen.«
»Ich meine nicht direkt die Schiffe, sondern die Baupläne. Wenn wir gründlich genug suchen, werden wir ebenfalls einen stark metallhaltigen Asteroiden finden. Andernfalls können wir den Asteroiden verwenden, auf dem das Haus steht. Aber wir brauchen die Baupläne, damit wir unsere eigene Flotte bauen können.«
Madame Kleinfelter hatte noch immer nicht begriffen, worauf ich hinauswollte. »Aber wir brauchen doch gar keine Flotte«, sagte sie.
»Ich schon«, entgegnete ich. »Ich will haben, was sie hat.«
Ich beherzigte Ludmillas Rat und machte mich im Würfel über die Kausalität schlau. Zunächst wollte er mich mit einer Definition für Kleinkinder abspeisen, ohne auf die Beziehung zu Ludmillas Vorhaben einer kosmischen Expansion einzugehen. Als ich den Würfel drängte, mir zu erklären, wie man die Kausalität »verletzen« könne, bekam ich eine enttäuschende Abfuhr, da der Würfel offenbar glaubte, dies übersteige mein gegenwärtiges Begriffsvermögen.
Ich ließ nicht locker. Ich konnte sehr hartnäckig sein.
Schließlich erklärte der Würfel, dies sei aus mehreren Gründen problematisch. Aus der Perspektive des Verhältnisses von Masse und Energie betrachtet, gleiche die Lichtgeschwindigkeit einem Berggipfel, den man niemals erreichen könne, so hoch man auch klettere. Wenn ein Raumschiff eine gewaltige Energiemenge aufwende, könne es bis auf ein oder zwei Prozent an die Lichtgeschwindigkeit herankommen. Allerdings wäre unendlich mehr Energie erforderlich, um diese letzte Lücke zu schließen, und selbst dann könnte das Schiff lediglich die Lichtgeschwindigkeit erreichen, sie jedoch nicht überschreiten. Um die Eigenschaften der Reise mit Überlichtgeschwindigkeit zu beschreiben, ergingen sich die Wissenschaftler nach Art von Alice im Wunderland in allerlei Unsinn mit imaginären Zahlen. Auch daraus ging nicht hervor, wie man diese Grenze hätte überschreiten können.
Doch angenommen, die Grenze brauchte gar nicht überschritten zu werden, und es gab eine sinnvolle Abkürzung – eine Art Wurmloch – durch die Raumzeit hindurch, dann gab es einen noch elementareren, subtileren Einwand. Diesen bezeichnete man als Kausalitätsprinzip.
Es bedeutete, dass die Ursache der Wirkung stets vorausgehen musste. Außerdem folgte daraus, dass die Einführung des überlichtschnellen Fluges – der Würfel sprach von raumbezogenen Kausalzusammenhängen – zu Situationen führen könnte, in denen das Kausalitätsprinzip verletzt würde. Das war keine theoretische Spitzfindigkeit, sondern das Einfallstor, durch das Paradoxien in die Wirklichkeit kämen.
Hätte ich schneller fliegen können als das Licht, hätte ich die Folgen eines Ereignisses – zum Beispiel das Loch in der Verkleidung eines Roboters, hervorgerufen durch eine überlichtschnelle Kugel – gesehen, bevor der Schuss abgefeuert wurde, und dem Schützen die überlichtschnelle Aufforderung übermitteln können, nicht zu schießen.
So erhellend die dem Würfel
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