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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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ich’s recht bedenke, machte er damit vielleicht auch nur seiner Verärgerung Luft. »Wir sind bereits spät dran«, sagte er, obwohl wir exakt zur verabredeten Zeit erschienen waren. »Mir wär’s lieber gewesen, der Beobachtungsturm läge schon wieder hinter uns. Egal; wenn Sie sich verspäten, lässt sich das nicht ändern. Sind Sie bereit, mir zu folgen?«
    Ich nickte zur Ladefläche des schwebenden Fliegers hinüber. »Wir haben unseren Freund mitgebracht. Möchten Sie ihn sich anschauen?«
    »Es kommt nicht drauf an, was ich von ihm halte.«
    »Ich habe mir nur gedacht …«
    »Ihre Erfolgsaussichten sind verschwindend gering. Dagegen ist es eher wahrscheinlich, dass Sie verletzt oder getötet werden.« Herr Jynx wandte sich ab und ging zu seiner Flugmaschine zurück. »Folgen Sie mir, halten Sie einen Sicherheitsabstand ein und weichen Sie nicht vom Flugweg ab!«, rief er uns über die Schulter hinweg zu.
    Wir gingen zu unserem Flieger.
    »Ein lustiger Bursche. Schön zu wissen, dass er voll und ganz auf unserer Seite steht und uns in jeder Beziehung unterstützt.«
    »Ich an seiner Stelle käme mir vielleicht ebenso übergangen vor«, meinte Portula und kletterte auf einen der beiden nach vorn weisenden Sitze. »Er ist von seinen Vorgesetzten angewiesen worden, unseren Wünschen nachzukommen. Kein Wunder, dass er verärgert ist.«
    »Na ja.«
    Kurz darauf war Herr Jynx gestartet. Er wendete die Nase seiner Flugmaschine und raste davon, wobei er zwischen den dicht gepackten Türmen von Ymir scharfe Schlenker vollführte. Portula wies den Flieger an, ihm zu folgen. Die Beschleunigungskräfte pressten mich in den Sitz, dann schaltete sich das Dämpferfeld ein. Der pinkfarbene Flieger hatte keine Pilotenkanzel, sondern nur zwei halbkreisförmige Windschutzvorrichtungen, die vor den beiden Vordersitzen angebracht waren. Einen Moment lang waren wir dem starken Fahrtwind ausgesetzt, dann baute sich ein aerodynamisches Feld auf. Auf einmal war es völlig windstill und so leise wie im Korb eines Heißluftballons.
    »Vielleicht ist das Vorhaben ja doch verrückt«, sagte Portula. »Als würde man eine defekte Uhr in einen Wirbelsturm werfen und hoffen, dass sie repariert wieder zum Vorschein kommt.«
    »Abgesehen davon, dass der Wirbelsturm niemals lebendig war. Wir wissen, dass der Luftgeist einst ein intelligentes Lebewesen war. Allerdings wissen wir nicht, wie viel von seiner Intelligenz noch vorhanden ist.« Ich wandte den Kopf und vergewisserte mich, dass Hesperus noch sicher auf der Ladefläche fixiert war. »Außerdem bedeutet er uns mehr als eine kaputte Uhr. Wir tun das nicht deshalb, weil wir etwas beschädigt haben und es repariert haben wollen. Wir tun das, weil er unser Freund war und sich für uns geopfert hat.«
    »Und das gibt uns das Recht, etwas Unmögliches zu versuchen?«
    »Es ist nicht unmöglich – nur ein Schuss ins Blaue. Schließlich hat der Geist in der Vergangenheit in ähnlichen Fällen schon öfters eingegriffen.«
    »Aber nicht bei Maschinenwesen.«
    »Nur deshalb, weil bis jetzt noch keins hierhergekommen ist.«
    »Vielleicht gibt es auch noch einen anderen Grund. Vielleicht sind sie zu vernünftig, oder die Ymirer lassen sie nicht her.«
    »Oder irgendetwas schreckt sie ab«, sagte ich. »Eine mechanisierte Intelligenz, die älter ist als sie. Uns halten sie etwa für so komplex und subtil wie Tick-Tack-Toe. Vielleicht durchschauen sie uns mühelos. Aber wie würden sie auf eine wirklich komplexe, undurchschaubare Intelligenz reagieren? Ich glaube, das wäre für sie etwa so, als müssten wir eine Nacht in einem Spukschloss zubringen.« Ich lächelte. »Auf einmal habe ich das Gefühl, Überzeugungsarbeit leisten zu müssen. Dabei meine ich mich erinnern zu können, dass das deine Idee war, nicht meine.«
    »Die Bedenken kommen mir immer erst hinterher.«
    »Das bringt doch nichts. Wir tun das Richtige, ganz gleich, was Jindabyne oder Jynx davon halten mögen.«
    Ein gentianischer Flieger war auch mit schwerer Beladung schneller als jeder Schwingenflügler, und nach kurzer Zeit hatten wir Herrn Jynx’ Flugmaschine eingeholt. Portula hätte längsseits gehen können, doch sie blieb hinter dem ymirischen Fluggerät, wie Herr Jynx uns angewiesen hatte. Nach zehn Minuten begannen die schwarzen Finger, auf denen Ymir erbaut war, hinter dem östlichen Horizont zu versinken, und nach zwanzig Minuten sah man nur noch die höchsten Gebäude. Vor uns erstreckte sich ein Labyrinth schattiger

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