Das Haus der Sonnen
abgetrotzten Ausführungen auch gewesen waren, kann ich gleichwohl nicht behaupten, damals alles verstanden zu haben. Allerdings begriff ich, dass das Universum nicht die Absicht hatte, dem Traum von der mühelosen Expansion entgegenzukommen. Wir konnten uns vom Universum so viel nehmen, wie wir haben wollten, doch die Inbesitznahme würde außergewöhnlich viel Geduld erfordern.
Den Rest des Abends über grübelte ich darüber nach. Ich kam mir eingezwängt vor und verspürte eine Beengung in der Brust, als wären meine Grenzen zu eng gezogen. Von einer Kathedrale, die tausend Jahre Arbeit erfordert hatte, einmal abgesehen, gehörte die Geduld nicht zu den herausragenden Tugenden der Menschen.
Später – als der heimatliche Planetoid längst in Sicht gelangt war – bekam ich einen Anruf von einem fernen Gratulanten. Madame Kleinfelter, aufgrund der vorausgegangenen Unterhaltung noch immer ganz grau im Gesicht, als hätte ich sie geohrfeigt, nahm seinen Versuch, mich zu kontaktieren, mit düsterer Miene auf.
»Das ist nicht recht«, sagte sie, während mir noch immer die Kausalität im Kopf herumschwirrte. »Sie haben deine Heiratsaussichten ruiniert, nicht wir. Wie kommt er dann dazu, dich jetzt verspotten zu wollen?«
»Vielleicht will er mich gar nicht verspotten. Darf ich mit ihm sprechen? Unbelauscht?«
Ich nahm den Anruf entgegen. Aufgrund der Zeitverzögerung mussten minutenlange Pausen in der Unterhaltung aufgetreten sein, doch daran erinnere ich mich nicht mehr.
»Wie ich höre, ist dein Auftritt bei den Marcellins recht erfolgreich verlaufen«, sagte der kleine Junge. Er wirkte jetzt älter, als hätte man ihm ebenfalls erlaubt, zu altern. Seine Stimme hatte einen rauen Klang, an den ich mich von den Nachmittagen im Spielzimmer her nicht erinnerte. »Das freut mich für dich. Es war klar, dass sich früher oder später jemand für die Klon-Technologie interessieren würde, und ich bin sicher, das kam keinen Moment zu früh.«
»Ich hätte nicht gedacht, wieder von dir zu hören.«
»Es wäre unangebracht, wenn wir uns jetzt treffen würden. Es tut mir leid, Abigail. Ja, wirklich. Mit dem, was auf Geschäftsebene passiert ist, hatte ich nichts zu tun. Und du auch nicht, glaube ich. Wir waren einfach nur Bauern, die von den Erwachsenen auf dem Spielfeld umhergeschoben wurden. Ich will damit sagen, ich wäre gern mit dir befreundet geblieben.«
»Das geht nicht.«
»Du sagst das so, als würdest du jetzt die Entscheidungen treffen. Bist du wirklich in die Fußstapfen deiner Mutter getreten?«
»Das geht dich nichts an.«
»Ich möchte dir gern sagen, dass es mir leidtut, wie ich über sie geredet habe. Das war nicht nett von mir. Aber ich glaube, du musstest es irgendwann erfahren. Unsere Beziehung war immer irgendwie ungleichgewichtig, denn ich habe viel mehr über dich gewusst als du selbst.«
»Das sollte dir keine schlaflosen Nächte bereiten.«
»Oh, das wird es nicht. Wären die Rollen vertauscht gewesen, wärst du bestimmt ebenso grausam gewesen wie ich. Aber es ist noch etwas unerledigt zwischen uns, findest du nicht?«
Mir schwirrte noch der Kopf von Phantasien, die von interstellaren Eroberungen handelten. Ich würde mich in tausend funkelnde Splitter aufteilen und jedem einzelnen von ihnen einen Lebensfunken meiner Persönlichkeit einhauchen. Der kleine Junge sprach aus einer Vergangenheit zu mir, die mir nichts mehr bedeutete. Ich wollte, dass er verschwand und meine Kindheit mitnahm.
»Ich glaube nicht, dass zwischen uns noch etwas unerledigt ist.«
»Wir haben das Palastspiel noch nicht abgeschlossen«, sagte er.
Es war eine Ewigkeit her, dass ich dem grünen Kubus mehr als einen flüchtigen Gedanken gewidmet hatte. Die Welt im Kubus war in dem Zustand erstarrt, den sie eingenommen hatte, als wir zum letzten Mal durch die Tür nach draußen getreten waren.
»Das ist vorbei.«
»Das muss nicht so sein. Ich kann dich aus naheliegenden Gründen nicht besuchen, aber es gibt noch eine andere Möglichkeit. Eines der Palastmodelle – einer der Prototypen – ist zufällig in meinen Besitz gelangt.«
»Wir können uns trotzdem nicht treffen.«
»Das brauchen wir auch nicht. Wir können die Paläste miteinander synchronisieren. Wenn ich meinen Palast betrete, spult sich darin die gleiche Geschichte ab wie in deinem. Ich werde in der Schwarzen Burg sein und du im Wolkenpalast, aber die Landschaft ringsumher wird für uns die gleiche sein. Wenn ich einen Boten losschicke, wird er
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