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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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weißer Dünen, so verwickelt und komplex wie das menschliche Kleinhirn.
    Wir hatten den Beobachtungsturm bereits vom Büro der Magistratin aus gesehen, doch seine wahre Funktion erschloss sich mir erst jetzt. Aus den Dünen ragte ein knochenweißer Turm auf, gekrönt von einer Aussichtsplattform, die von filigranen Streben gestützt wurde. Herr Jynx flog höher, und wir folgten ihm, bis beide Flieger gleichauf mit der Plattform waren. Es handelte sich um eine runde Scheibe von etwa zweihundert Metern Durchmesser und einem fensterlosen Gebäude mit schrägen Wänden in der Mitte. Herr Jynx landete als Erster neben dem Gebäude. Portula ließ unseren Flieger aufsetzen, und wir stiegen beide aus. Herr Jynx kletterte gerade aus der ymirischen Flugmaschine.
    »Laden Sie ihn jetzt ab. Sehen Sie den Fleck am Horizont, links von der Sonne?«
    »Der ausschaut wie eine Unwetterwolke oder ein Vogelschwarm?«, fragte Portula.
    »Das ist der Luftgeist. Er ist näher, als ich erwartet habe – seit der letzten Datenübermittlung hat er sich sehr schnell bewegt. Wir sollten uns besser beeilen – er dürfte uns bereits bemerkt haben.«
    Der Fleck schien weit entfernt, vergleichbar einem Tiefdrucksystem, über das man sich erst am nächsten Tag Sorgen zu machen braucht.
    »Kommt er näher?«, fragte Portula.
    »Das wäre möglich, muss aber nicht sein. Die Tatsache, dass er überhaupt sichtbar ist, deutet jedoch darauf hin, dass er sich weiter nähern wird.«
    Wir hatten unsere Allesträger mitgebracht und Hesperus daran fixiert. Ich packte den U-förmigen Griff des nächsten Trägers und hob seinen Körper vom Flieger; ich nahm die Trägheit wahr, aber kein Gewicht. Ich schob die schwere goldene Masse zur Seite, bis sie sich über dem Plattformboden befand. »Wo sollen wir ihn ablegen?«
    »Möglichst weit vom Unterstand entfernt«, antwortete Herr Jynx. »An der Westseite der Plattform befindet sich ein Sockel – dort legen wir manchmal Proben ab.«
    Beim Anflug hatte ich den Sockel nicht gesehen, denn er war vom Unterstand verdeckt worden. Mit langsamen, aber sicheren Schritten schob ich Hesperus mit einer Hand vor mir her. Der Sockel, den der Ymirer erwähnt hatte, war ein erhöhter Bodenabschnitt mit glatter Oberfläche. Ich brachte Hesperus darüber zum Stillstand, dann senkte ich den Levator ab, bis er aufsetzte.
    »Nehmen Sie die Levatoren jetzt weg«, sagte Herr Jynx. »Wenn Sie dem Geist ein Opfer darbringen, sollten Sie Komplikationen vermeiden.«
    »Von einem Opfer würde ich in diesem Fall nicht sprechen«, entgegnete Portula.
    »Das entscheidet der Geist, nicht Sie.«
    Ich nickte und löste die vier Allesträger, dann koppelte ich sie aneinander, damit ich sie als Ganzes verschieben konnte.
    »Wird das reichen?«, fragte ich, trat zurück und musterte das Ding, das ich auf dem Sockel hatte liegen lassen. Die geschmolzene Seite von Hesperus wies von mir weg; ich sah seine humanoide Gestalt. Das schöne, gelassene Gesicht blickte mich an, sein Oberkörper, sein rechter Arm und sein rechtes Bein ragten aus der unförmigen Masse hervor. Die Lichter kreiselten noch in seinem Schädelfenster, doch noch nie waren sie so matt und träge gewesen wie jetzt.
    »Ich glaube, der Geist kommt näher«, sagte Portula mit Blick auf die unheimliche dunkle Wolke.
    »Das stimmt«, meinte Herr Jynx. »Falls er uns einen Besuch abstatten möchte, könnte es in dreißig Minuten so weit sein.« Forschen Schritts ging er zu seiner Flugmaschine zurück. »Wir sollten jetzt starten. Mehr gibt es für Sie hier nicht zu tun.«
    »Wir würden lieber hierbleiben«, sagte Portula. Sie blickte mich an. »Ich jedenfalls bleibe hier.«
    »Das würde ich Ihnen nicht empfehlen.«
    »Wenn wir starten, wird der Geist Hesperus als Opfergabe betrachten, wie Sie schon sagten. Aber er ist kein gemästetes Kalb, das wir opfern, damit es regnet. Wir möchten, dass er geheilt wird. Der Geist soll begreifen, dass er uns etwas bedeutet.«
    »Wenn Sie hierbleiben, bringt Sie das Ihrem Ziel keinen Schritt näher.«
    »Aber auf andere Weise können wir ihm diese Botschaft nicht zukommen lassen«, entgegnete Portula. »Ich habe mir Gedanken gemacht, Herr Jynx. Wenn ich mich in Gefahr begebe, wird der Geist begreifen, dass Hesperus nicht bloß ein nutzloses Stück Metall ist. Er ist eine Person, ein Freund.«
    »Sie überschätzen die Fähigkeit des Geistes, rationale Schlüsse zu ziehen.«
    »Darauf will ich es ankommen lassen.«
    »Ich auch«, erklärte ich.
    »Du

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