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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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beeinträchtigen können. Nicht einmal die wachsende Macht der Familien vermochte ihn zu beunruhigen.
    Die Sonne stellte allerdings ein Problem dar. Im verlangsamten Zeitrahmen seines Bewusstseins war das Ende seines Lebenszyklus nur ein paar tausend Jahre subjektiver Zeit entfernt. Diese Vorstellung war ihm unerträglich. In der fernen Zukunft, wenn die Familien oder eine andere menschliche Zivilisation die Grundlagen der stellaren Lebensverlängerung ergründet hätten, würde er etwas dagegen unternehmen müssen. Doch darauf konnte er sich nicht verlassen, deshalb musste er Vorkehrungen treffen, solange er noch Zeit hatte, über die verschiedenen Möglichkeiten nachzudenken.
    Das Wolkenbewusstsein sagte sich, es sei an der Zeit, die interstellare Ausdehnung in Angriff zu nehmen. Anstatt sich zu sammeln und zu einem anderen Stern zu befördern – wie eine Flottille von Raumschiffen, deren Zahl freilich kaum zu schätzen gewesen war -, dehnte er sich aus und sandte seine Neuronenelemente in alle Richtungen. Es dauerte mehrere Zehntausend Jahre, ehe auch nur eines seiner neuronalen Elemente in die Nähe einer anderen Sonne gelangte, denn seine Einzelteile bewegten sich viel langsamer als die schnellen Raumschiffe der Familien. Je weiter er sich ausdehnte, desto stärker verlangsamten sich seine Denkprozesse. Als seine Bewusstseinswolke mehrere Sternsysteme umfasste, benötigten seine schnellsten Gedanken nach Planetenzeit mehrere Jahrzehnte. Zumindest aber war er nicht mehr von einem einzigen Sonnensystem abhängig.
    An diesem Punkt angelangt, wurden die Informationen der Datenspeicher vage und widersprüchlich. Wie es in den nächsten Millionen Jahren mit dem Mann weitergegangen war, blieb unklar. Der einen Argumentationskette zufolge hatte er sich über ein gewaltiges galaktisches Raumvolumen ausgedehnt und Hunderte von Tausenden Sternsystemen im Umkreis von mehreren Tausend Lichtjahren geschluckt. Die Familien trafen sich währenddessen zu ihrer siebten, achten oder neunten Reunion, je nachdem, wo man mit dem Zählen begann. Die Goldene Stunde war ein kurzer, leuchtender Moment in der Geschichte, komprimiert wie ein Lichtfunken, den man durchs falsche Ende eines Teleskops betrachtet. Innerhalb des Mannes hatten Reiche existiert, die nicht einmal von seinem Vorhandensein gewusst hatten. Der Preis für eine solche Expansion war jedoch ein Bewusstsein, das in nahezu todesähnlicher Starre verharrte. Er benötigte Jahrtausende, um auch nur den einfachsten Gedanken zu formen.
    Der anderen Argumentationskette zufolge hatte sich der Mann lediglich über ein paar Dutzend Lichtjahre ausgebreitet. Als er die Größe eines ordentlichen Nebels erreicht und ein paar hunderttausend Jahre in diesem Zustand verbracht hatte, kam er zu den Schluss, dass es ihm reichte; er wollte sich wieder mit der menschlichen Zivilisation verbinden, und sei es nur in sehr loser Form, auch wenn das bedeutete, wieder auf planetarischen Maßstab zu schrumpfen. Dies stellte für ihn keine große Schwierigkeit dar, denn in der Zeit der Expansion hatte er sehr viel über Selbsterhaltung gelernt. Auf äußere Energiequellen war er nicht mehr angewiesen. Er hatte die frühen galaktischen Kriege der Protohumanen beobachtet und gesehen, was Waffen anrichten konnten. Vorausgesetzt, dass er sich vorsah und beweglich blieb, brauchte er sich vor nichts mehr zu fürchten.
    Einig waren sich die Datenspeicher hingegen darüber, dass der Luftgeist, die Frakto-Koagulation, alles war, was nach weiteren fünfeinhalb Millionen Jahren von dem Mann übrig geblieben war. Die meiste Zeit über hatte er sich auf Neume aufgehalten, denn in jeder dokumentierten Geschichtsperiode fand er in der einen oder anderen Form Erwähnung. Bisweilen war er eine flüchtige, nahezu mythische Erscheinung, die sich jahrhundertelang verbarg, bis sie unvermittelt verwirrten und verängstigten Augenzeugen erschien, die schon immer an sie geglaubt hatten. Dann wieder zeigte er sich als atmosphärische Erscheinung, vergleichbar einem metastabilen Sturm im Innern eines Gasriesen. Manchen Zivilisationen ging er aus dem Weg, andere vernichtete er oder begegnete ihnen mit Toleranz und Nachsicht. Als die Pläne der Transformer scheiterten, sorgte er dafür, dass Neumes Atmosphäre atembar blieb. Dieser Akt der Freundlichkeit bereitete ihm keine große Mühe. Als Valmik noch ein Mensch war, hätte es größere Anstrengungen von ihm erfordert, einer Ameise auszuweichen.
    Soweit die verschiedenen

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