Das Haus der Sonnen
musst nicht hierbleiben, Campion.«
»Du auch nicht.« In Wahrheit teilte ich Portulas Entschlossenheit nicht. Ich war besorgt, und das fremdartige Ding am Horizont machte mich nervös. Aber ich wollte sie auch nicht allein lassen.
»Wir finden den Rückweg auch allein«, sagte Portula.
»Ohne Flieger bestimmt nicht.«
»Wir haben einen eigenen Flieger«, erklärte sie.
»Der kann nicht hierbleiben. Beim Eintreffen des Geistes würde er zerstört werden. Er mag keine anderen Maschinen – auch keine ganz simplen. Wenn Sie nach dem Verschwinden des Geistes noch leben, können Sie den Flieger zurückrufen.«
»Und die Levatoren?«, fragte ich.
»Schicken Sie die ebenfalls weg. Sie sollten alle Maschinen wegschicken, die Sie bei sich haben.«
»Ich habe Implantate im Kopf«, sagte Portula. »Damit mein Raumschiff mit mir sprechen kann.«
»Das hätten Sie mir eher sagen sollen.«
»Ich habe nicht daran gedacht.«
»Das lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Dann können Sie nur hoffen, dass der Geist sie nicht weiter beachtet.« Herr Jynx musterte besorgt den rastlosen, wogenden Fleck am Horizont. »Vorausgesetzt, dass die Maschinen in Ihrem Kopf sich still verhalten, dürfte eigentlich nichts passieren.«
Portula schloss für einen Moment die Augen. »Ich habe die Silberschwingen soeben angewiesen, den Funkkontakt zu unterbrechen.«
Ich ging zum Flieger und legte die Allesträger auf der Ladefläche ab, dann beugte ich mich auf den Pilotensitz vor und wies die Flugmaschine an, auf Abstand zu gehen und erst am nächsten Morgen hierher zurückzukehren. Wir würden die Nacht im Unterstand verbringen müssen, doch das war im Moment meine kleinste Sorge.
»Wir sind so weit«, sagte Portula.
»Ich muss gestehen, ich bin neugierig, wie es ausgeht. Am liebsten würde ich ebenfalls hierbleiben und mir das Spektakel aus der Nähe anschauen.«
»Werden Sie uns beobachten?«
»Aus der Ferne. Bislang haben noch keine Beobachtungsgeräte die Begegnung mit dem Geist unbeschadet überstanden. Wir haben Teleskope auf die Plattform gerichtet, aber wenn der Geist da ist, sieht man nicht viel.«
»Sie könnten ebenfalls hierbleiben.«
»Die Stimme der Vernunft rät mir dringend davon ab.«
Plötzlich peitschte mir der Wind ins Gesicht. Herr Jynx lächelte über mein Erschrecken. »Haben Sie das gespürt, Splitterling? Das Mikroklima verändert sich. Der Geist bringt sein eigenes Wetter mit. Ich muss jetzt losfliegen.«
»Tun Sie das«, sagte ich. »Wir kommen schon zurecht. Morgen werden wir Ihnen Bericht erstatten.«
Herrn Jynx’ Stimmung hatte sich verändert. Vielleicht nahm er uns ab, dass wir keine andere Möglichkeit sahen, unserem Freund zu helfen. »Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen. Ich betrachte Ihr Verhalten als leichtsinnig, aber Mut haben Sie jedenfalls, das muss man Ihnen lassen.«
Jynx kletterte in seine Flugmaschine und raste davon. Auch unser Flieger hob von der Plattform ab und flog zurück zur Stadt, wo er bis Tagesanbruch warten würde. Portula und ich beobachteten Seite an Seite, wie die beiden Punkte immer kleiner wurden, bis sie nicht mehr zu erkennen waren.
Der Wind nahm zu und wurde schneidend. Ich hob die Hand vor die Augen und spähte zwischen den Fingern hindurch. Die dem westlichen Horizont entgegensinkende Sonne war hinter einem wogenden Nebelschleier verborgen. Dessen Farbe lag irgendwo zwischen Purpur und Schwarz, und es hatte den Anschein, als bestünde der Nebel aus zahllosen kleinen Einzelteilen. Ich hatte Mühe, die Ausdehnung der Wolke einzuschätzen – es fehlte an Bezugspunkten. Ich schätzte, dass der eigentliche Kern des Geistes, der dunkle, pulsierende Fleck in der Mitte, wo die Dichte der Flugmaschinen am höchsten war, mindestens den Durchmesser der Beobachtungsplattform hatte. Es war nicht das erste Mal, dass ich Angst hatte, doch meistens war dies die zuversichtliche Beklommenheit gewesen, die man verspürt, wenn man sich einer gefährlichen, aber großartigen Unternehmung stellt, wie zum Beispiel dem Besteigen eines Berggipfels oder der Entwicklung einer spektakulären neuen Kunstform. Jetzt aber verspürte ich eher spektakuläre animalische Angst. Sie forderte mich auf, vor der sich nähernden Gefahr wegzurennen oder mich zu verstecken, und ich musste meine ganze Willenskraft aufbieten, um ihr zu trotzen.
Ich vergegenwärtigte mir, was ich vom Datenspeicher und den Ymirern in Erfahrung gebracht hatte. Der Luftgeist war damals, in den fernen Jahrhunderten der
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