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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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aus simplem Stoff gemacht und würde keine Medikamente zur Verfügung stellen, falls ich mich verletzen sollte.
    Ein Sturz aus dieser Höhe würde schlimmere Folgen haben als oberflächliche Verletzungen. Das nennt man also auf der Strecke bleiben, dachte ich. Man ging ein Risiko zu viel ein, weil man glaubte, die vielen überstandenen Gefahren hätten einen irgendwie immunisiert, während man in der Vergangenheit einfach nur Glück gehabt hatte.
    Das schoss mir durch den Kopf, als die Maschinen mich fallen ließen.
    Der Fall konnte höchstens eine Sekunde gedauert haben, doch mir erschien es wie eine Ewigkeit. Ich hatte Zeit, an viele Dinge zu denken, auch an die unangenehmen Folgen, die mein drohendes Ableben haben würde. Ich hatte immer geglaubt, ich würde in einem solchen Fall keinen Körper zurücklassen, jedenfalls keinen blutüberströmten mit gebrochenen Knochen. Bei einem Sturz aus dieser Höhe wären die Dünen so hart wie massiver Fels. Ich fragte mich, ob Portula ebenfalls in die Tiefe stürzte und ob wir einander vor dem Aufprall noch sehen würden. Ich fragte mich, ob die Maschinen sie verschonen würden, und verspürte einen Anflug von Groll bei dem Gedanken, dass der Geist sie mir vorgezogen haben könnte.
    Dann fiel ich nicht mehr. Die Maschinen waren unter mich gehuscht und fingen mich auf. Die dunkle Masse verdichtete sich erneut, und ich hatte das schwindelerregende Gefühl, mit großer Geschwindigkeit in die Höhe zu steigen – bis die Maschinen mich abermals freigaben und ich aus mehreren Hundert Metern Höhe auf die Plattform zuzustürzen begann.
    Abermals fingen die Maschinen mich auf.
    Mir wurde bewusst, dass man mit mir spielte, so wie eine Katze einen gefangenen Vogel quält. Portula erging es offenbar ebenso, wenngleich ich sie nicht zu Gesicht bekam. Ich kann nicht behaupten, dass ich mich mit meinem Schicksal abfand, doch da mein Tod erst einmal hinausgeschoben worden war, wurde ich geringfügig ruhiger, und meine Gedanken verlangsamten sich wieder auf das normale Tempo.
    Ich weiß nicht, wie lange die Maschinen mit mir spielten: Vielleicht dauerte es ein paar Sekunden, vielleicht auch mehrere Minuten. In dem schwarzen Schmelzofen des Schwarms ließ sich die Zeit ebenso schwer schätzen wie die Bewegung und die Position.
    Irgendwann aber hörte es auf, und ich landete unsanft auf der Plattform. Der Aufprall verschlug mir den Atem, doch ich brach mir wenigstens keine Knochen. Bäuchlings auf dem weißen Boden liegend, schnappte ich nach Luft wie ein gestrandeter Fisch. Es dauerte mindestens eine Minute, bis ich ans Aufstehen auch nur denken konnte. Als ich mich aufrichtete, hämmerte mir das Herz, und mein Atem ging keuchend. Es wimmelte in der Luft noch immer von Maschinen, doch sie hielten mehrere Meter Abstand ein.
    »Portula!«, rief ich mit schwacher Stimme, dann riss ich mich zusammen und brüllte ihren Namen.
    »Campion!«, antwortete sie. »Ich bin hier!«
    Sie war nur ein paar Schritte von mir entfernt, doch ich sah sie nur momentweise, wenn der Vorhang der Maschinen durchsichtiger wurde. Mit schmerzendem Knie taumelte ich auf sie zu, und sie tappte mir mit ausgestreckten Armen entgegen wie eine Schlafwandlerin. Wir umarmten uns und tasteten uns nach Verletzungen ab. Abgesehen von den oberflächlichen Schnitten, die wir uns zuvor zugezogen hatten, und den unter der Kleidung verborgenen blauen Flecken war die Tortur spurlos an uns vorübergegangen.
    »Dieses Scheißding …«, setzte ich an.
    Portula legte den Finger an die Lippen. »Der Geist ist noch da, und er versteht mit ziemlicher Sicherheit Trans. Du solltest ihn nicht noch weiter reizen.«
    Ich nickte demütig, doch mein Ärger hatte sich noch immer nicht gelegt. Ich hatte nicht das Gefühl, etwas Bösem gegenüberzustehen, doch ich sah eine boshafte Intelligenz am Werk, vergleichbar einem ins Riesenhafte aufgeblasenen mutwilligen Kind.
    »Ich dachte, ich würde sterben«, sagte ich.
    »Ich auch. Aber wundern sollte uns das eigentlich nicht – schließlich hat man uns vorgewarnt, dass der Geist verspielt ist. Jetzt weiß ich, weshalb Herr Jynx es so eilig hatte.«
    »Wenn das verspielt war, dann möchte ich ihn nicht aggressiv erleben.«
    »Dann lägen wir jetzt zerfetzt in den Dünen. Aber irgendetwas geht da vor.« Sie spähte über meine Schulter. Ich drehte mich vorsichtig um. Die Maschinenwolke hatte sich so weit zurückgezogen, dass wir wieder freie Sicht auf den Sockel hatten. »Der Geist nimmt ihn mit«, sagte

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