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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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herab, bis seine Außenränder den Himmel in alle Richtungen verdeckten. Es war so dunkel, als bräche die Nacht an. Das Tosen war nahezu unerträglich, und der schwarze Kern schwebte über uns wie ein gieriger Mund. Vom purpurfarbenen Rand der Schwärze schraubte sich ein neugieriger Maschinenwirbel herab, vergleichbar in einem Strudel gefangenem Treibgut. Der Wirbel verjüngte sich zu einer umhertastenden Extremität. Die Sonde verharrte über Hesperus, ohne ihn zu berühren, schwankte mehrmals vor und zurück. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass der Luftgeist ungeachtet seiner unbestrittenen Macht äußerst vorsichtig war. Ich fragte mich, ob er im Verlauf seines langen Lebens überhaupt schon einmal einem Wesen wie Hesperus begegnet war. Vielleicht war dies das erste Mal, dass er ein Wesen vor sich hatte, das ähnlich komplex war wie er, auch wenn es völlig anders aufgebaut war und einen anderen Ursprung hatte.
    Die Extremität tastete sich näher heran, und ich gab mich schon der trügerischen Hoffnung hin, wir stünden kurz vor dem Erfolg und unsere Opfergabe würde nicht nur angenommen, sondern auch als das aufgefasst, was sie war. Vielleicht war dies der Moment des Kontakts zwischen den Maschinen und Hesperus’ goldener Haut, doch auf einmal zog der Arm sich mit erschreckender Geschwindigkeit zurück und verschwand im Maschinenkern, als wäre er mit offenem Feuer in Berührung gekommen oder mit Elektrizität oder einem schmerzhaften Gift. Der Kern pulsierte in einem noch tieferen Schwarz als zuvor, und das Tosen wurde noch lauter. Regenschauer gingen nieder, da die Schwarmmaschinen die Luftfeuchtigkeit kondensieren ließen.
    Das Epizentrum der Wolke, das zuvor über dem Sockel geschwebt hatte, verlagerte sich in unsere Richtung. Der Geist schien jedes Interesse an Hesperus verloren zu haben.
    »Das läuft aus dem Ruder.«
    »Wir können im Moment nichts tun«, entgegnete Portula, als wollte sie mich beruhigen.
    Dann senkten sich zahlreiche flatternde Maschinen auf uns herab und inspizierten uns. Wenn ihre Flügel sich berührten, ertönte ein Geräusch wie von aneinander vorbeigleitenden Scherenblättern, doch keine einzige Maschine fiel herab oder nahm einen erkennbaren Schaden. Hin und wieder schwebte eine unmittelbar über mir und fixierte mich mit funkelnden Lichtern, die offenbar nicht nur der Verständigung dienten, sondern auch als Sensoren. Gelegentlich streifte kaltes Metall meine Haut, und obwohl ich mir alle Mühe gab, gelassen zu erscheinen, zuckte ich doch unwillkürlich zusammen. Nach einem dieser eiskalten Kontakte fasste ich mir an die Wange, und als ich die Hand wieder wegnahm, waren meine Finger blutig. Dennoch verspürte ich keinen Schmerz, und die Blutung kam auch gleich wieder zum Stillstand. Auch Portula war geschnitten worden, seitlich am Hals und am Handrücken, doch das schien ihr nichts auszumachen. Ich glaube nicht, dass der Geist uns verletzen wollte; wahrscheinlich waren die Bewegungen der einzelnen Elemente weniger gut koordiniert als das Ganze.
    Dann geschah etwas Unerwartetes, etwas, worauf Herr Jynx uns nicht vorbereitet hatte. Die Maschinen umschwärmten mich immer zahlreicher, bis sie Portula mit ihrem Geflattere vollständig verdeckten. Sie hüllten mich ein, und dann auf einmal schwebte ich in der Luft, und die Maschinen stützten meine Gliedmaßen. Ich rief nach Portula, doch der Lärm war zu groß, als dass sie mich hätte hören können. Die wogende Dunkelheit vermittelte mir das Gefühl von Bewegung, doch ich konnte nicht erkennen, ob sie real war oder eine Sinnestäuschung. Ich kippte nach hinten, dann verlor ich auch schon jedes Gefühl für oben und unten. Ich ruderte hilflos mit den Armen, doch die Maschinen behinderten meine Bewegungen so stark, dass ich mir vorkam wie ein Träumer, der nicht von der Stelle kommt.
    Unvermittelt war nur noch silbriger Sand unter meinen Füßen. Der Geist hatte mich über den Rand der Plattform getragen. Ich hatte in der Vergangenheit nur selten Höhenangst verspürt, denn bei den meisten Gelegenheiten wurde ich von Geräten beschützt, die entweder in meine Kleidung eingebaut waren, oder von Robotern oder der Umgebung, in der ich mich befand. Jetzt aber überwältigte mich die Angst, als wollte sie sich für die vielen Male, da ich mich ihr entzogen hatte, schadlos halten. Die Bummelant konnte mir jetzt nicht helfen, und auch Portula hatte von der Silberschwingen keine Unterstützung zu erwarten. Meine Kleidung war

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