Das Haus der Sonnen
Portula in ehrfürchtigem Flüsterton.
Trotz seines anfänglichen Zögerns hatte der Luftgeist inzwischen Kontakt zu Hesperus hergestellt. Er untersuchte ihn nicht bloß, wenngleich die Maschinen seinen Körper nahezu vollständig bedeckten, sondern nahm ihn auseinander, verleibte ihn sich ein mittels einer Welle, die am Außenrand des Sockels einsetzte, wo sich die geschmolzene Masse befand, und dann zu Hesperus’ humanoidem Teil weiterwanderte, der zuvor den Anschein erweckt hatte, er nähme unsere Anwesenheit wahr. Dort, wo die Welle vorbeiwanderte, blieb nichts von ihm übrig. Staubteilchen und goldene Splitter funkelten aus dem rotierenden schwarzen Trichter hervor, der ihn in den Himmel emporsog.
»Ich hoffe, wir haben das Richtige getan«, sagte ich, das Schauspiel mit einer Mischung aus Entsetzen und Erhebung beobachtend.
»Bringt er ihn um, oder will er ihn heilen?«
»Vielleicht verleibt er ihn sich ein oder verdaut seine Erinnerungen und seine Persönlichkeit.« Sie fasste meine Hand. »Wir konnten sonst nichts für ihn tun, Campion. Er war bereits tot. Das war seine beste und letzte Chance.«
Anschließend gab es nichts mehr zu sagen. Wir beobachteten, wie der Schwarm den Sockel leerfraß, bis der letzte goldene Tupfen in dem saugenden Wirbel verschwunden war und der Trichter sich in das tosende schwarze Auge zurückgezogen hatte. Der Geist verharrte noch eine Weile über uns in der Schwebe, während es in seinem Innern heftiger leuchtete als zuvor, so als hätte er jetzt, da er Hesperus in sich aufgenommen hatte, Stoff zum Nachdenken. Dann legten sich unvermittelt der Lärm, der Wind und der peitschende Regen, und der Geist vergrößerte den Abstand zwischen seinen Elementen, bis auf einmal die eindunkelnde Indigofarbe des Himmels durch einzelne Lücken hindurchschien. Dann sammelte sich der Geist, wogte und tanzte noch eine Weile umher und schoss schließlich der untergehenden Sonne entgegen.
Wir warteten, bis nur noch ein wogender Schemen in der Ferne zu sehen war. Dann gingen wir in den Unterstand und warteten auf den nächsten Morgen.
Achtzehn
Betonie schenkte sich tiefschwarzen Kaffee ein und schüttelte mit aristokratischer Enttäuschung den Kopf. »Wie ich höre, ist euer kleines Spielchen missglückt. Ich wünschte, ich könnte sagen, das täte mich wundern.«
»Wir wissen nicht genug, um irgendwelche Schlüsse zu ziehen«, sagte ich. Es war Morgen, und der Himmel war mit Wolken gesprenkelt und wirkte winterlicher als zuvor. Es war, als hätte das Erscheinen des Geistes eine kalte neue Jahreszeit angekündigt. Die Fahnen an den Brücken und Gehwegen schienen über Nacht verblasst zu sein und wirkten trist und ausgewaschen.
»Wurde der Robot geheilt?«
»Nein, bislang nicht.«
»Auf der Beobachtungsplattform wurden keine Überreste gefunden. Der Geist hat ihn vernichtet; diese Möglichkeit konnten wir nie ganz ausschließen. Wie kannst du dann von Heilung sprechen, wenn es ihn nicht mehr gibt?«
»Es ist nicht sicher, dass es ihn nicht mehr gibt. Es gibt Belege dafür, dass der Geist Dinge vernichtet – oder sie mitnimmt – und später wieder freigibt.«
»Jedenfalls nichts Verlässliches.«
»Das passiert immer wieder.«
Campion ergriff das Wort. »Normalerweise verhält sich der Geist so, wenn es sich um eine komplexe Opfergabe handelt. Er gleicht einem Kind, das dem Reiz funkelnder, glänzender Spielzeuge erliegt. Allerdings ist er viel intelligenter als ein Kind – wahrscheinlich intelligenter als die meisten Wesen, denen wir bislang begegnet sind. Und es gibt nichts Ungewöhnlicheres und Komplexeres als eine andere Maschinenintelligenz.«
Betonie, der das Kinn auf die Hände gestützt hatte, musterte ihn aufmerksam. »Wann, glaubst du, wird Hesperus, auf magische Weise geheilt, demnach wieder zum Leben erwachen?«
»Wir erwarten gar nichts«, entgegnete Campion. »Wir wussten nur, dass unser Vorhaben keineswegs lächerlich war; dass gewisse Erfolgsaussichten bestanden. Hesperus hat das offenbar ähnlich gesehen, sonst hätte er uns nicht diesen Hinweis übermittelt.«
»Es könnte Tage oder auch Jahre dauern«, sagte ich, »doch ich glaube, er wird zurückkehren. Der Geist hat sich sein Wesen einverleibt, doch das bedeutet nicht, dass er nicht wiederhergestellt werden könnte. Der Geist hat ihn wie ein Puzzle auseinandergenommen, Stück für Stück, und er wird sich genau gemerkt haben, an welche Stelle jedes Teil gehört. Er weiß, wie das Ganze
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