Das Haus der Sonnen
gewöhnlichen Splitterlinge. Wir sind ein Paar. Das heißt, wir reisen zusammen, was wiederum heißt, dass Sie in unvorstellbar großer Gefahr sind.«
»Sie haben mir keinen Anlass zu der Vermutung gegeben, Sie gehörten der Familie Gentian an.«
»Das will ich gerade ändern. In der Zwischenzeit sollten Sie sich überlegen, was es heißt, sich uns zu Feinden zu machen. Es gibt zwar insgesamt keine Tausend mehr von uns, aber immerhin noch achthundertachtzig, uns beide nicht mitgerechnet. Das macht achthundertachtzig Splitterlinge, die Sie sich besser nicht zu Feinden machen sollten. Gegner, die nicht nur die exakte Position Ihres Sonnensystems kennen, sondern auch über die mächtigsten Waffen verfügen, die je erfunden wurden.«
»Ohne Beweis sind Ihre Drohungen gegenstandslos.«
»Ich weiß, und deshalb hat die Familie Gentian Vorsorge getroffen, dass jeder Angehörige seine Authentizität beweisen kann. Aufgrund der Daten in Campions Datenspeicher weiß ich, dass dieses Sonnensystem erst vor zweihunderttausend Jahren Besuch von einem Gentian-Splitterling bekommen hat. Dieser Splitterling – sie hieß Mimulus – hat sich Ihnen mit einem Passwort zu erkennen gegeben, das Ihnen bei einem früheren Besuch der Familie genannt wurde. Bei ihrer Abreise hat Mimulus Ihnen ein anderes Passwort genannt, ein Wort ihrer Wahl, das sie später bei unserem privaten Netzwerk registriert hat. Da Sie seitdem von keinem anderen Splitterling besucht wurden, ist das Passwort noch immer gültig.« Portula holte theatralisch Luft. »Es lautet Passacaglia .«
Das Schweigen dehnte sich. Vor uns schwebte die Kapuzengestalt in der Luft, das Gesicht zu einer undurchschaubaren Maske erstarrt. Das war lediglich die Gestalt, die Ateshga annahm, um seine Gäste in die Falle zu locken. Vielleicht glich er ja seinem Avatar, oder aber er war in Wirklichkeit ein Geist von der Größe einer Stadt, der über dem flüssigen Wasserstoffozean schwebte, der sich unter der untersten Wolkenschicht befand.
»Sie könnten das Passwort irgendwie in Erfahrung gebracht haben«, sagte er. »Sie könnten einen Splitterling abgefangen und verhört haben, oder Sie sind in das private Netzwerk eingedrungen.«
»Es könnte aber auch sein, dass es sich genauso verhält, wie wir behaupten«, sagte Portula.
Endlich zeigte sich in dem Maskengesicht ein Anflug von Zweifel. »Vielleicht ist es zu einem kleinen Missverständnis gekommen.«
»Als klein würde ich das nicht bezeichnen, Ateshga. Die Frage ist: Was wollen Sie jetzt tun?«
Die Bummelant ruckte leicht, als das Feld sie freigab. Vorsichtig fuhr ich den Antrieb hoch, darauf gefasst, dass wir abermals zurückgehalten würden, doch wir konnten uns frei bewegen. Wir durchflogen den Südpol des Mondschiffs und gelangten wieder in die Vakuumblase, die das große Raumschiff umhüllte. Dann schaltete ich wieder meinen eigenen Impassor ein, bevor ich in die aufgewühlte Jupiteratmosphäre eindrang.
»Wir warten«, sagte Portula.
»Könnte ich die Angelegenheit mit einem großzügigen Rabatt aus der Welt schaffen?«
»Ein Rabatt wird da nicht reichen. Vielleicht wäre es ein guter Anfang, wenn Sie uns ein Schiff schenken würden.«
»Aber er hat doch gar keine …«, setzte ich an.
Portula fiel mir ins Wort. »Dann reden wir über die Leute, die Besatzungen und Passagiere der anderen Schiffe.«
»Die Leute?«, wiederholte Ateshga ausdruckslos.
»Wir wollen mal etwas klarstellen. Auch dann, wenn ich den Eindruck gewinnen sollte, dass Sie mir nicht die ganze Wahrheit sagen, werde ich mein Schiff anweisen, unverzüglich die Familie zu alarmieren.«
Er setzte eilig ein Lächeln auf. »Ich wollte lediglich Gewissheit haben, Splitterling.«
»Dann lassen Sie uns Klartext reden. In den Raumschiffen sind Leute. Vielleicht haben Sie sie getötet, aber vermutlich haben Sie es vorgezogen, sie am Leben zu lassen oder sie in Stasis zu versetzen. Das würde Sie nichts kosten, und Sie würden sich die Option offenhalten, sie irgendwann weiterzuverkaufen. Viele Zivilisationen würden für mit alten Erinnerungen vollgestopfte Persönlichkeiten eine Menge zahlen.«
»Um wie viele Personen geht es?«, fragte ich.
»Ich habe gut für sie gesorgt«, sagte Ateshga.
»Das können Sie dadurch beweisen, dass Sie sie uns zeigen«, erwiderte Portula. »Bringen Sie sie her, so viele wie möglich.«
»Das wird eine Weile dauern.«
»Hier hat niemand Eile. Wenn das mit den Leuten geregelt ist, sprechen wir über die anderen
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