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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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flache Hand auf das Steuerfeld, dann wich ich vor dem aufrecht stehenden Käfig eilig einen Schritt zurück.
    Das Fesselfeld schwächte sich allmählich ab, so dass Hesperus in traumartiger Zeitlupe zu Boden sank. Seine Füße setzten auf dem Boden auf, die Arme sanken an der Seite herab. Er blieb stehen, zeigte aber eine ganze Weile keinerlei Lebenszeichen, sondern verharrte in derselben Haltung. Dann drehte er das goldene Gesicht, das er bislang abgewendet hatte, zu mir herum und sah mir in die Augen.
    Hesperus war eine prachtvolle Maschine.
    Er glich einem Mann in einer eng sitzenden Rüstung, wenngleich er eigentlich zu schlank für einen Menschen war. Sein Schädel war aus eleganten Flächen und funkelnden Bögen zusammengesetzt. Die Ausstrahlung des Maschinenwesens war einerseits roboterhaft-kühl, andererseits ausgeprägt menschlich. Es glich der übertriebenen und stilisierten Karikatur eines umwerfend gutaussehenden Mannes aus einer alten Sage, ausgeführt in Gold und Chrom. Seine Augen waren facettierte Mechanismen, die abhängig vom Blickwinkel zwischen Beigegrau und Türkis changierten. Er hatte ein breites, gekerbtes Kinn. Seine Wangenknochen waren parallele Chromflansche, die wie Kühlelemente aus seiner Haut ragten. Er hatte auch eine Nase, die offenbar keinem anderen Zweck diente, als die Gesichtsproportionen zu vervollständigen. Seine wulstigen Lippen hatten sich zu einem schmalen Schlitz geteilt, durch den man undeutlich den verchromten Sprechapparat sah. Abgesehen von zwei Buntglaspaneelen unmittelbar über den stromlinienförmigen »Ohren« war sein Schädel golden. Die Paneele waren mit einem feinen Chromnetzwerk durchsetzt. Hinter den Facetten sah man pastellfarbene Lichtwirbel.
    Der Rest von ihm war nicht minder eindrucksvoll; nahezu jeder Teil von ihm war mit der Gesamterscheinung ausbalanciert. Er hatte eine anatomisch geformte Brustplatte, einen flachen, verchromten Bauch, schmale Hüften und lange, muskulöse Gliedmaßen. Das Einzige, was nicht ganz ins ausgewogene Erscheinungsbild passte, war sein linker Arm; am Ellbogen war er dicker als der rechte, und seine linke Hand wirkte massiger, so als trüge er über seiner gepanzerten Hand noch einen Panzerhandschuh.
    Das war sein einziger Makel; alles andere war harmonisch. Maschinenwesen manifestieren sich als Männer und Frauen, manchmal auch als Kinder oder geschlechtslose, funkelnde Apparate. Hesperus’ Gesicht und Körperbau ließen zweifelsfrei erkennen, dass er sich als Mann manifestiert hatte. Sogar das Geschlechtsteil war angedeutet, ausgeführt in geschmackvollem Goldrelief. Allerdings hatte seine Erscheinung nichts Schroffes oder Bedrohliches an sich. Hesperus war ein erlesenes Geschöpf, dazu geschaffen, bewundert und begehrt zu werden.
    Doch er war auch lebendig. Und kräftig und schnell und – potenziell – das tödlichste und klügste Ding, das je in der Bummelant gewandelt war.
    »Wer sind Sie?«, fragte er. Seine Lippen bewegten sich, obwohl sein Gesicht bislang wie eine steife goldene Maske gewirkte hatte. Seine Stimme war trillernder, säuselnder Vogelgesang, transformiert in menschliche Sprache. Etwas so Schönes hatte ich noch nie gehört.
    »Ich bin Portula, ein Splitterling der Familie Gentian, Teil der Körperschaft.« Ich zeigte auf meinen Gefährten. »Das ist Campion, ein Co-Splitterling derselben Familie. Sie befinden sich an Bord seines Raumschiffs. Sie wurden von einem Wesen mit Namen Ateshga gefangen gehalten. Ich habe soeben Ihre Freilassung erwirkt.«
    »Fürchten Sie mich, Splitterling?«
    »Vielleicht«, sagte ich.
    »Dafür gibt es keinen Grund. Ich an Ihrer Stelle würde die Waffe weglegen. Meine Intelligenz ist in meinem ganzen Körper verteilt, also wäre mehr als ein Schuss erforderlich, um mich zu töten. Sie könnten mich verletzen, aber die zurückgeleiteten Energien würden in Ihrer Umgebung beträchtliche Schäden anrichten.« Er schaute sich langsam um. Sein Hals drehte sich mit der unheimlichen Gleichmäßigkeit eines Geschützturms. Mühelos zu Trans übergehend, sagte er: »Wäre es hilfreich, wenn ich mich der Sprache der Körperschaft bedienen würde? Das würde mich vor keine unüberwindlichen Schwierigkeiten stellen.«
    Wir Gentianer neigen dazu zu glauben, niemand beherrsche Trans so gut wie wir. Mit zwei Sätzen hatte Hesperus meine Überzeugung gegenstandslos gemacht.
    »Er ist gut«, flüsterte Campion. »Sogar sehr gut.«
    »Sie sprechen sehr gut Trans«, sagte ich.
    »Für eine

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