Das Haus der Sonnen
Lichtjahren Entfernung heran«, meinte Hederich skeptisch. »Vielleicht wollen sie dorthin.«
»Keine Planeten, keine Trümmer, kein Eis«, sagte Betonie. »Es gibt keinen Grund, dort haltzumachen.«
Junggesellensonnen waren Sterne, deren Planetensystem bei Begegnungen mit anderen Sternen abhanden gekommen war. Für die Metazivilisationen waren sie allenfalls als Materiallieferanten für Wurmlöcher von Nutzen.
»Ich gehe auf zehntausend Lichtjahre«, sagte Hederich. »Wir befinden uns jetzt weit außerhalb des Scutum-Crux-Arms. Der Fehlerradius beträgt etwa sechs Monate. Nach siebentausend Jahren nähern sie sich bis auf fünfzehn Lichtjahre dem Rand der Harmonischen Konkordanz, einem Reich der mittleren Ebene, dem siebzehnhundert besiedelte Sonnensysteme angehören.«
»Sollte das ihr Ziel sein?«, fragte Rainfarn. »Wenn sie noch eine kleine Kurskorrektur vornehmen …«
»Laut dem Universalen Aktuarium beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die Harmonische Konkordanz noch existiert, lediglich fünfzig Prozent. Wenn die Silberschwingen dort einträfe, wäre sie bereits auf elf Prozent gesunken«, las Oxalis von seinem eigenen Display ab. »Das ist eine weite Reise, wenn man bedenkt, dass es neun zu eins steht, dass es das Ziel gar nicht mehr gibt.«
»Das UA trifft nicht immer den Nagel auf den Kopf«, gab Rainfarn zu bedenken.
»Aber es liegt öfters richtig als falsch«, entgegnete Oxalis. »Außerdem weist die Harmonische Konkordanz alle Indikatoren für einen typischen Niedergang auf. Es sei denn, die Robots haben es auf die geschrumpften Überreste eines ehemaligen Sternenreichs abgesehen, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie dieses Ziel ansteuern.«
»Ich glaube das auch nicht«, sagte Betonie. »Weite das Raumvolumen aus, Hederich.«
»Wir sind bereits bei zehntausend.«
»Dann müssen wir eben weiter in die Ferne blicken.«
Hederich zuckte die Achseln; seine Miene ließ erkennen, dass er sich von diesem Spiel kein Ergebnis mehr erwartete. »Fünfzigtausend«, sagte er, als sich der Kasten erneut ausdehnte. »Der Fehlerradius beträgt jetzt zweieinhalb Lichtjahre – da werden ganze Sonnensysteme geschluckt. Wir stanzen da einen hübschen Keil aus der Galaxis heraus. Das ergibt mehrere Tausend Kandidaten.«
»Liste die Systeme in der Reihenfolge der Erfassung auf«, sagte Betonie. »Wir arbeiten sie nacheinander ab, um festzustellen, ob uns irgendetwas ins Auge sticht. Währenddessen können wir den Kurs der Silberschwingen genauer bestimmen. Vielleicht gelingt es uns ja, den Fehlerradius zu verringern.«
»Das ist Zeitverschwendung«, sagte Bilse. »Vermutlich wird das Schiff in einer halben Stunde schon wieder in eine ganz andere Richtung fliegen.«
»Dann wiederholen wir den Vorgang eben«, fertigte Betonie den anderen Splitterling ab. »Irgendwohin müssen sie schließlich fliegen. Wenn ich ihr Ziel kennen würde, könnte ich erheblich besser schlafen.«
»Oder auch nicht«, meinte ich.
Ich stellte mir vor, Akonit stünde vor mir. Inzwischen fand ich ihn ganz sympathisch und wäre froh gewesen, wenn er bei mir gewesen wäre. Ich war allein an Bord der Bummelant ; die Imagos waren vorübergehend abgeschaltet.
»Mir geht da etwas durch den Kopf«, sagte ich, eine Nachricht, die erst in einigen Stunden bei ihm auf Neume eintreffen würde. »Es klingt vielleicht verrückt, aber ich muss ständig daran denken, und ich hoffe, es hat eine Bedeutung für Mezereums Befragung. Irgendetwas hat mit Mieres Leichnam nicht gestimmt.«
Ich stellte mir vor, wie Akonit sich mit skeptischer Miene am Kopf kratzte. Was sollte mit einem Körper, der kilometerweit in die Tiefe gestürzt und auf eine harte Oberfläche geprallt war, nicht stimmen?
»Sie erscheint mir ständig im Traum«, sagte ich. »Sie sagt mir, ich soll aufpassen. So als hätte mein Unterbewusstsein festgestellt, dass etwas nicht stimmt, könnte es meinem Bewusstsein aber noch nicht mitteilen. Die meisten Splitterlinge sind auf Neume geblieben, und ihr habt die Videos, welche die Ymirer bis zu Mieres Tod aufgezeichnet haben. Vielleicht findet sich da etwas …« Ich stockte, denn ich war mir bewusst, wie absurd meine Nachricht auf ihn wirken musste. »Sie ist eine weite Strecke gefallen, Ack. Und wenn sie die ganze Zeit über bei Bewusstsein war und ihren Mörder kannte? Könnte es nicht sein, dass sie versucht hat, uns eine Nachricht zu übermitteln?«
Ich beendete die Aufzeichnung. Ich brauchte mehrere Minuten, um den Mut zu
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