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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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Einheit, hinter der das komplizierte Innenleben der Stasiskammer zum Vorschein kam: Aggregate, Thron, Steuerung und Dämpfungssysteme, alles so dicht gepackt wie Innereien. Der Stuhl schob sich vor und lud mich ein, mich seiner teigigen Umarmung zu überlassen. Mit den Fingerspitzen ertastete ich Steuerelemente.
    »Welchen Faktor und welche Zeitdauer soll ich einstellen?«
    »Ich kümmere mich um die Steuerung. Ich möchte, dass du erst dann wieder rauskommst, wenn von Galgant keine Bedrohung mehr ausgeht.«
    Die Klaustrophobie legte mir ihre knochigen kalten Finger um den Hals. »Und wenn ich nicht mehr rauskomme?«
    »Dafür werde ich schon sorgen. Möchtest du Campion noch etwas sagen, bevor ich das Gerät einschalte?«
    Ich ließ mich auf dem Thron nieder und schob Hände und Füße in die selbststraffenden Gurte. »Ist es dafür nicht schon ein bisschen spät?«
    »Du vergisst, dass ich ein qualitativ hochwertiger Aufzeichnungsapparat bin. Sag, was du ihm sagen willst, dann werde ich es an Campion weiterleiten, sobald wir wieder Funkkontakt haben.«
    »Sag ihm, dass ich ihn liebe und ihm dankbar bin, dass er mich bis hierher begleitet hat.«
    »Nein, sag es direkt zu mir. Als ob ich Campion wäre.«
    Ich holte tief Luft. Ich hatte Mühe, mir vorzustellen, anstelle des goldenen Gesichts meinen Geliebten und Freund vor mir zu haben. »Ich liebe dich, Splitterling. Ich danke dir für alles, was du getan hast. Tu, was du kannst, um die Silberschwingen aufzuhalten, aber pass auch auf dich auf. Ich möchte dich wiedersehen. Ich möchte mit einem Glas Wein in der Hand mit dir zusammen den Sonnenuntergang betrachten und mit dir über all diese Ereignisse reden, als hätten sie sich vor langer Zeit zugetragen und als hätten wir seitdem viele weitere Abenteuer und gute Zeiten erlebt.«
    »So wird es sein«, sagte Hesperus.
    Der Sitz zog sich in die Stasiskammer zurück, die Gurte strafften sich und fixierten mich. Hesperus schloss die Tür – ich sah ihn aber noch durch das Einwegfenster. Ein Kragen legte sich mir surrend um den Hals und zog mich tiefer in den Sitz hinein, so fest, dass es unbequem war, aber nicht fest genug, um mich zu strangulieren. Eine Stimme verkündete, ich sei im Begriff, mit einem Kompressionsfaktor von einer Million in Stasis zu gehen, und solle unverzüglich die Abbruchtaste betätigen, wenn ich den Feldaufbau verhindern wolle. »Letzte Warnung!«, wiederholte die Stimme. »Stasis wird eingeleitet in drei Sekunden … zwei … eins … jetzt .«
    Hesperus verschwand. Die Außenwelt flammte bläulich auf, dann normalisierte sie sich allmählich wieder. In der Sekunde, in der mir klar wurde, dass ich mich bereits zu lange in der Kammer aufhielt, verstrichen in der Realzeit meines Schiffs zehn Tage.
    Hesperus war entweder tot, oder er hatte mich reingelegt. Meine Finger wanderten über die Steuerelemente. Ich stellte den Regler zurück und spürte, wie er in die verschiedenen Markierungen einrastete. Eine Million. Einhunderttausend. Zehntausend.
    Die Stimme sagte: »Bitte beachten Sie, dass die manuelle Steuerung der Stasiskammer außer Kraft gesetzt wurde. Nur externe Eingaben werden ausgeführt.«
    Zehn Sekunden waren verstrichen. Einhundert Tage.
    Die Silberschwingen des Morgens war der Lichtgeschwindigkeit bereits so nahe gewesen, dass die Bordzeit gegenüber der Planetenzeit um den Faktor zwanzig verlangsamt war. Und das Schiff beschleunigte noch immer. Hundert Tage Bordzeit entsprachen zweitausend Tagen im stationären Universum. Seit Betreten der Kammer hätte ich mühelos den Atem anhalten können. Dennoch hatten wir bereits sechs Lichtjahre zurückgelegt. Und weitere sechs, seit ich angefangen hatte, mir Gedanken über die zurückgelegte Entfernung zu machen.
    Zwölf Lichtjahre. Jetzt schon eher achtzehn. Oder zwanzig. Nicht mehr lange, und die Silberschwingen des Morgens hätte seit dem Start aus dem Orbit um Neume ein Jahrhundert Flugzeit hinter sich gebracht.
    In der Stasiskammer würde es kaum einen Tag dauern, bis wir den Sternendamm erreicht hätten.
    »Hesperus«, sagte ich, »du verlogener Mistkerl.«

Neununddreißig
     
     
     
     
     
    Sein ramponiertes, blutbeflecktes Schiff stürzte uns entgegen. Ohne Pseudoschub und abgebremst allein durch die nahezu vernachlässigbare Reibung des interstellaren Raums, konnte die Königin der Nacht nicht mehr beschleunigen, sondern nur noch im freien Fall dahintreiben. 99,9 Prozent Lichtgeschwindigkeit stellten im Vergleich zu fast allen

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