Das Haus der Sonnen
Warnsignal. »Es ist so weit, Campion. Ich starte jetzt die Lampreten.«
Ich beobachtete, wie helle Funken aus dem dicken grünen Rumpf der Blauer Adonis hervorschossen und als helle Striche stark verzögerten, um an Galgants Schiffswrack heranzukommen. Ich startete meinerseits zwanzig Lampreten. Die Bummelant hatte seit dem Ausflug zum Reunionssystem Zeit genug gehabt, die abgeschossenen Lampreten zu ersetzen.
Die Lampreten brauchten nicht von uns überwacht zu werden; sie konnten ihren Auftrag, der besagte, sie sollten sich am Schiffswrack anheften, es stabilisieren und dann dem beschleunigten Bezugsrahmen der Bummelant und der Blauer Adonis anpassen, selbstständig umsetzen. Betonie und mir blieb nichts weiter übrig, als mit nervöser Ungeduld zuzuschauen, denn wir waren uns voll bewusst, dass wir langsam hinter den Rest des Verfolgergeschwaders zurückfielen und die Sicherheitsmargen erheblich würden überschreiten müssen, wenn wir den Rückstand aufholen wollten.
»Wir halten das Schiff erst mal auf Abstand«, sagte ich. »So lange, bis wir wissen, dass er tot ist und nicht den Selbstzerstörungsmechanismus ausgelöst hat.«
»Ich habe den Eindruck, du würdest ihn gern lebend in die Finger bekommen.«
»Sieht man mir das an?«
Ein paar Minuten später ertönte ein Signal; die Lampreten hatten die Königin der Nacht erreicht und sich an der Raumschiffshülle verankert, ohne auf Widerstand zu treffen. Betonie und ich musterten das beschädigte Schiff; Galgant konnte den Angriff nur dann überlebt haben, wenn er sich in Stasis befunden hatte. Weitflächig war die Verkleidung aufgerissen, und man sah die verknäulten, verletzlichen Innereien.
»Vielleicht sollten wir das Schiff hier zurücklassen«, sagte Betonie, als sich die Bilder des zerschmetterten Raumfahrzeugs vor unseren Augen abspulten. »Da ist nicht mehr viel zu retten.«
»Der Antriebskern ist vielleicht ganz klein und gut abgeschirmt«, erwiderte ich, als wüsste er das nicht bereits. »Wir sind jetzt so weit gekommen – da will ich nicht mit leeren Händen aufkreuzen.« Die Lampreten begannen, das Wrack zu unseren Schiffen zu schleppen. Ich trommelte mit den Fingern auf die Steuerkonsole, das Herz klopfte mir bis zum Hals. »Wir sollten eine Sonde ins Schiff schicken.«
»Keine Zeit, mein Lieber. Außerdem hätte Galgant zahllose Versteckmöglichkeiten – es würde Wochen dauern, alle Ecken und Winkel des Schiffs zu durchsuchen.«
Er hatte Recht. Ich wollte lediglich nicht an die Alternative denken, auch wenn eine Suche vor Ort nicht in Frage kam.
»Das könnte auch eine List sein.«
»Deshalb wäre es besser gewesen, du wärst bei den anderen Schiffen geblieben.« Das sagte er ganz ohne Groll – eher schien er dankbar für meine Gesellschaft. »Ich werde die Blauer Adonis dicht heranbringen. Ich bin angriffsbereit, werde den Impassor aber erst im letzten Moment hochfahren. Dann haben wir wenigstens Gewissheit.«
»Das gefällt mir nicht.«
»Niemand hat dich gefragt, ob es dir gefällt. Jetzt kommt es darauf an, dass du nicht hierbleiben darfst, wenn es unangenehm werden sollte. Wenn ich nicht allein zurechtkomme, wirst du auch nichts ausrichten können. Flieg zu den anderen drei Schiffen zurück und handelt gemeinsam – vielleicht könnt ihr mir dann ja helfen. Aber wenigstens ein Schiff muss die Verfolgung fortsetzen. Das ist das Allerwichtigste.«
»Da sind wir uns einig. Seit Galgants Angriff auf die Silberschwingen hat Portula sich nicht mehr gemeldet, aber …«
»Sie lebt. Daran darfst du nicht zweifeln.«
Die Lampreten schleppten ihre Beute immer näher an die Blauer Adonis heran. Ich hielt einen Abstand von mindestens zehntausend Kilometern zu seinem Schiff ein. Betonies krötenförmiges Raumschiff war größer als die Königin der Nacht, doch der Hangar bot trotzdem nicht genug Platz, um sie an Bord zu nehmen. Er flog mit Pseudoschub weiter und machte seine Waffen einsatzbereit, ließ den Impassor aber ausgeschaltet. Zehn weitere Lampreten kamen aus dem Hangar geschossen, um Koppelschub zu geben, falls er den Schutzschirm einschalten sollte. Der Abstand zwischen beiden Schiffen schrumpfte von hundert Kilometern auf zehn. Als er nur noch einen Kilometer betrug, hatte es bereits den Anschein, als wären sie zusammengestoßen und hoffnungslos ineinander verkeilt.
Ich sah es in dem Moment, bevor Betonie reagierte. Entweder war er zu langsam, oder sein Impassor war nicht so wirkungsvoll, wie er uns hatte weismachen
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