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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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ich und wunderte mich, weshalb er auf einmal so menschlich wirkte.
    Kurz darauf meldete die Bummelant , sie habe den Kurs der Silberschwingen erfasst. Portulas Schiff drang im Zickzackkurs immer weiter in den Sternendamm vor und zwängte sich durch Lücken, die in einigen Fällen nur wenige Tausend Kilometer breit waren. Hesperus hatte gut daran getan, mich vorzuwarnen. Der Durchflug war auch dann schon schwierig genug, wenn die Bummelant keine Rücksicht auf menschliche Passagiere nehmen musste.
    Die Zeit reichte gerade noch aus, um eine Botschaft Richtung Neume zu übermitteln und die Familie von meinen Plänen zu unterrichten. Eine Kopie sandte ich an den nächsten Knotenpunkt unseres geheimen Netzwerks, denn jetzt kam es nicht mehr darauf an, ob es geknackt worden war oder nicht. Ich konnte mir nicht einmal sicher sein, dass die anderen Gentianer überhaupt noch lebten. Wir waren so schnell geflogen, dass die von Neume aufgefangenen Nachrichten lediglich einen Zeitraum von ein paar hundert Jahren abdeckten.
    Da ich getan hatte, was ich konnte, überließ ich es der Bummelant , Portulas Kurs zu folgen, und flitzte zur Stasiskammer. Ich wählte einen Faktor von einer Million und wählte eine Dauer von hundert Stunden Bordzeit (eine grobe Schätzung, da ich keine Ahnung hatte, wie lange es dauern würde, den Mittelpunkt des Sternendamms zu erreichen und den Übergang durchs Wurmloch zu vollziehen). Dann ließ ich mich vom Feld einhüllen.
    Vier Sekunden später war ich wieder in der Realzeit angelangt.
    Ich trat aus der Kammer. Der Raum wirkte unverändert; die Schwerkraft war normal, das Schiff flog ohne wahrnehmbare Erschütterungen. Da ich mich tief im Innern des Raumschiffs befand, waren keine Schäden oder sonstige Beeinträchtigungen der Bordsysteme festzustellen. Einen Moment lang fragte ich mich, ob Hesperus mein Überleben womöglich höher bewertet hatte als sein gegebenes Wort und die Bummelant auf einen Kurs geleitet hatte, der am Sternendamm vorbeiführte. Diesen Gedanken verwarf ich jedoch gleich wieder: Er hatte genau gewusst, dass ich eher sterben würde, als die Verfolgung Portulas abzubrechen. Der Kabinenuhr zufolge waren bereits zehn Tage verstrichen.
    Mit dem Gefühl, kaum weg gewesen zu sein, flitzte ich zur Brücke hoch. Als ich dort eintraf, wirkte auf den ersten Blick alles ganz normal, so als schwebte die Bummelant im Vakuum des Weltraums. Das Display allerdings gab keine Außensicht wieder, sondern behauptete, es habe Mühe, ein konsistentes Bild der Umgebung anzuzeigen. Außerdem wollte es keine Angaben zur momentanen Position der Bummelant machen. Die letzte verlässliche Positionsbestimmung war vor dem Einflug in den Sternendamm erfolgt, doch dem Bordspeicher zufolge hätte das Schiff vor fast hundert Stunden bereits wieder aus dem Damm austreten sollen. Trotzdem vermochte es keine Pulsare oder andere Orientierungspunkte zu erfassen und ortete auch keine bekannten Sternbilder. Es ortete überhaupt keine Sterne.
    Dann befanden wir uns also woanders – vielleicht gar nicht mehr in der Milchstraße. Vielleicht waren wir ja bereits in der schwarzen Andromeda-Absenz angelangt und schwebten in einer sternenlosen Leere, die einst eine Galaxis gewesen war. Ich nahm im Steuersessel Platz und zog die Schwebekonsole zu mir heran, gab Befehle ein, um das Display zu zwingen, irgendetwas preiszugeben, und sei es wider besseres Wissen. Die Bummelant war nämlich so fürsorglich, dass sie Daten eher zurückgehalten hätte, als mir ungesicherte Informationen zu übermitteln, die womöglich aufgrund des Maschinenäquivalents eines »halluzinatorischen Deliriums« verzerrt worden waren. Schließlich aber setzte ich meinen Willen durch.
    Das war ein Fehler.
    Ich vermag nicht zu beschreiben, was ich sah. Ich war mir bewusst, dass ich nur den Versuch der Bummelant vor mir hatte, ihre eigene Wahrnehmung in eine für mich verständliche Form zu bringen, also das Echo eines Echos, doch es war immer noch zu viel, zu unverständlich, zu fremdartig. Gewaltige leuchtende Gebilde strömten aus zu vielen Richtungen auf mich zu und an mir vorbei, um die Eindrücke zu verarbeiten, sich gleichzeitig nähernd und sich entfernend, ständig in fließenden Übergängen die Form wechselnd, so dass sie weniger Maschinen glichen als vielmehr einem Naturphänomen, einem sich umstülpenden protoplasmischen Lebewesen, das in einem fort sein Inneres nach außen kehrte. Ich hatte den Eindruck furchterregender Geschwindigkeit und

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