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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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menschlich. Er war muskulös und maskulin, bedeckt mit dunkler, schweißglänzender Haut. An der Handfläche und an der Unterseite der Finger war die Haut etwas heller gefärbt. Als er den Arm drehte und die Finger krümmte, sah ich die Härchen am Handrücken, das Nagelhäutchen und die Adern unter der Haut.
    »Es ist das, was es scheint«, sagte Hesperus, während wir beide schwiegen. »Das ist menschliche Haut, darunter befinden sich menschliche Muskeln.« Langsam und vorsichtig kratzte er mit dem rechten Daumen am Gelenk seines organischen Arms, bis ein Blutstropfen austrat. »Sie blutet. Und heilt auch. Das habe ich gerade untersucht, als ich von Doktor Meninx gestört wurde. Ich hatte mich zuvor gekratzt und wollte nachschauen, wie weit die Wunde inzwischen verheilt war.«
    Campion fand als Erster die Sprache wieder. »Sie reden so, als wüssten Sie nicht, was das ist.«
    »Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass ich selbst überrascht über meine Entdeckung war?«
    »Wie war es möglich, dass Sie das nicht eher entdeckt haben?«
    »Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich so gut wie nichts über mich weiß. Es grenzt schon an ein Wunder, dass ich überhaupt meinen Namen kenne. Glauben Sie, ich hätte vorgehabt, das hier vor Ihnen geheim zu halten?«
    »Aber Sie haben es geheim gehalten«, sagte Campion.
    »Nur deshalb, weil ich mir zunächst selbst darüber klar werden wollte. Von dem Moment an, da ich mich wieder bewegen konnte, habe ich mir Gedanken über meine unterschiedlichen Arme gemacht. Ich habe versucht, durch die Verkleidung zu spähen, doch die ist undurchdringlich für meine Sensoren. Schließlich wappnete ich mich und nahm einen Teil der Verkleidung ab, um das Geheimnis zu lüften. Ich traute meinen Augen nicht …« Es war das erste Mal, dass er ins Stocken geriet. »Sie werden es mir hoffentlich nachsehen, wenn ich gestehe, dass ich zunächst entsetzt war über das, was man mir angetan hat. Nicht deshalb, weil das Organische mich abstößt, sondern weil es keinen Platz in mir hat. Ich glaube, Sie wären nicht minder entsetzt, wenn Sie sich kratzen und unter der Haut funkelndes Metall entdecken würden. Ich sagte mir jedoch, es müsse eine vernünftige Erklärung dafür geben, die auch Sie zufriedenstellen würde.« Hesperus ließ den Arm langsam sinken. »Doch es gibt keine. Ich kann mir das Vorhandensein des Arms nicht erklären.«
    »Könnte es sein, dass Sie beschädigt wurden?«, fragte ich. »Vielleicht ist der ursprüngliche Arm ja verloren gegangen, und als Ersatzteil stand nur der Arm eines menschlichen Toten zur Verfügung. Sie haben ihn sich aufgepfropft, um die Reparatur später durchzuführen, und dann haben Sie den Vorfall vergessen.«
    »Wir hätten keinen Grund, eine solche Operation durchzuführen. Sollte ich einen Arm verlieren, könnte ich ihn in kurzer Zeit wiederherstellen, vorausgesetzt, ich könnte auf die erforderlichen Grundstoffe zurückgreifen – Metall, Plastik, Maschinenaspik. Stünden nicht genügend Grundstoffe zur Verfügung, könnte ich einen Teil meiner Grundmasse abzweigen, ohne dass es zu größeren Beeinträchtigungen kommen würde. Ich hätte keinen Grund, in Kadavern zu wühlen.«
    »Dann hat das Ateshga getan, nicht Sie«, sagte Campion. »Er hat Sie beschädigt und Ihnen ein organisches Ersatzteil eingesetzt, da er nicht wusste, dass Sie sich selbstständig wiederherstellen können.«
    »Ich wünschte, dem wäre so, doch bedauerlicherweise weiß ich, dass diese Erklärung nicht stichhaltig ist. Der Arm ist ein integraler Bestandteil meiner selbst. Als die Verkleidung entfernt war, konnte ich tiefer in die Struktur hineinblicken. Ich fand heraus, das unter dem Fleisch und dem Muskelgewebe im Wesentlichen das gleiche mechanische Skelett zu finden ist wie bei meinem anderen Arm.« Er krümmte erneut die Finger. »Ich könnte damit noch immer großen Schaden anrichten, wenn das meine Absicht wäre. Das Skelett wurde allerdings dahingehend modifiziert, dass es dem Bau der menschlichen Knochen ähnelt und eine Stützmatrix für das organische Gewebe bildet. Außerdem wurde es mit Geräten ausgestattet, deren Funktion mir ein Rätsel ist, doch anscheinend dienen sie dazu, die organischen Stoffe bereitzustellen, die das Gewebe zum Leben braucht.« »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte ich. »Dass der Arm von innen nach außen gewachsen ist?« »Eine andere Erklärung sehe ich nicht, Portula. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich mich selbst reparieren kann.

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