Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
Vom Netzwerk:
schwirrend Querschläger ein. Stiefel trampelten über die Erde.
    »Granaten!«, schrie Bong und feuerte dabei sein Gewehr aus der Hüfte ab. »Feuert die Granaten ab! Los! Gebt es ihnen!«
    In das Gekreische der Affen aus dem Urwald hinter ihnen mischte sich jetzt das Feuer eines Sten-Maschinengewehrs, das eine Schneise in die Vegetation schlug. Links von Mabel drehte sich plötzlich einer der Männer um seine eigene Achse. In seinem Hals klaffte eine Wunde, so leuchtend rot wie Chilischoten. Mabel zog sofort einen langen Streifen Verbandsmaterial aus ihrer Tasche und übte Druck auf das Loch aus, spürte dabei, wie ihr das Blut durch die Finger quoll. Der Verwundete schlug ihre Hand weg.
    »Lass mich das machen!«, schrie sie. »Lass los!«
    Gurgelnd und mit herausgestreckter Zunge griff der Kamerad mit beiden Händen an seinen Hals. Sie musste einen seiner Arme mit ihrem Knie auf den Boden drücken, um an die Wunde zu kommen. Ein tiefes Grollen kam aus dem Bauch des Mannes, während sich ein dunkler Urinfleck auf seiner Hose ausbreitete.
    Eine Granate nach der anderen explodierte, presste Mabel die Luft aus den Lungen. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, wie der gepanzerte Mannschaftswagen mit einem donnernden kra-wumm in die Luft flog. Über ihr brach ein Ast und krachte zu Boden. Stücke der Rinde fielen wie Hagelkörner vom Himmel.
    »Wie geht’s ihm?«, keuchte Bong, während er sie mit seinem Körper abschirmte und dabei Feuerstöße abgab.
    »Er blutet stark. Ich kann noch nicht sagen, ob die Luftröhre blockiert ist.« Sie beugte sich über den Verwundeten und lauschte auf Geräusche in seinem Brustkorb, spürte, wie sich seine Rippen unter den flachen Atembewegungen hoben und senkten. »Schnell, wir müssen ihn aufsetzen. Nimm ihm den Patronengürtel ab.«
    »Sani! Saniiii!«, hörte sie plötzlich eine verzweifelte Stimme in der Ferne rufen.
    »Seine Luftwege sind frei. Bong, drück deine Hand auf den Verband. Du musst fest drücken. Wenn das Blut durchkommt, darfst du den Verband auf keinen Fall entfernen. Leg dann einen neuen über den alten, verstanden? Einfach draufdrücken und festbinden. Wenn nötig, nimm diesen Schnürsenkel. Er wird es schaffen.«
    »Wo willst du hin?«
    »Da rüber.«
    »Da rüber?«, wiederholte er. Eine dicke Ader trat auf seiner Stirn hervor. »Nein, bleib hier!«
    »Hör zu, lass mich meine Arbeit tun!«
    Sie rannte, so schnell ihr das in gebückter Haltung möglich war. Eine Kugel zischte wie eine Nadel aus dunklem Licht an ihrem Ohr vorbei, schlug in den Baum hinter ihr ein. Sie hatte sich noch nie so verwundbar und ungeschützt gefühlt, aber auch noch nie so entschlossen. Vor ihr brannte es. Dunkle Rauchfahnen stiegen von einem gepanzerten Fahrzeug auf. Die verbogene Hülle aus Metall hatte fünf, sechs, sieben Männer ausgespien, ihre Gesichter waren geschwärzt, ihre Gliedmaßen verdreht und gebrochen. Verkohlt und schwarz wie Sojasoße.
    Wieder hörte sie den Hilfeschrei.
    Ein blonder britischer Soldat lag hinter dem brennenden Fahrzeug, seine Uniform war zerrissen und mit schwarzem Blut bespritzt.
    »Wo sind Sie verletzt?« Sie sprach ruhig und selbstsicher, während sie neben ihm in die Hocke ging.
    »Bein und Bauch, glaube ich.« Er begann heftig zu zittern.
    In seinem Unterleib hatte sich ein Loch wie ein Mund geöffnet, rund und dunkel wie eine antike Münze. In seiner Hüfte klaffte eine faustgroße Wunde – außen rot, weiter innen weiße Sehnen und freiliegende Knochen. Mabel musste bei diesem Anblick unwillkürlich an einen aufgeplatzten Apfel denken.
    Sie suchte nach der Austrittswunde. »Sie müssen wach bleiben«, sagte sie. »Wie heißen Sie?«
    »Evans, Corporal Johnny Evans.« Sein Gesicht war jetzt vor Schmerz verzerrt.
    »Halten Sie Ihren Blick fest auf mich gerichtet, in Ordnung, Johnny Evans? Bleiben Sie wach! Sehen Sie mich an!«
    Sie packte die Ränder des aufgerissenen Stoffs an seiner Hüfte und riss ihn noch weiter auf. Die Wunde voller Blut fühlte sich wie nasses warmes Brot an.
    »Sind Sie noch wach, Johnny?«
    »Ich habe Angst.« Die Muskeln an seinem Hals traten hervor wie Messerklingen.
    »Sie brauchen keine Angst zu haben, Johnny«, erwiderte sie, während sie eine Schere aus ihrer Tasche nahm. Sie schnitt seine Kleidung auf. Sein Bauch war geöffnet wie eine Dose Tomatensuppe. Sie drückte ihre Hände flach auf seinen Unterleib, um zu verhindern, dass die Eingeweide herausquollen.
    »Was zum Teufel machst du da?«
    Sie blickte auf und

Weitere Kostenlose Bücher