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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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danach, als sich alle abtrockneten und zwei oder drei Soldaten losgeschickt worden waren, um im stacheligen Gras nach Nacktschnecken zu suchen, die sie essen konnten, ging Bong noch einmal mit ihnen den Plan durch. Sie würden unter seiner Führung einen Konvoi britischer Soldaten mit einer Taktik angreifen, die er als »Venusfliegenfalle« bezeichnete.
    Malaysia würde zwar in wenigen Tagen unabhängig werden, der Ausnahmezustand sollte aber noch für längere Zeit gelten. Der Konflikt zwischen den Truppen des Commonwealth und der MNLA , der Malayan National Liberation Army, dauerte nun schon seit 1948 an. Neun lange Jahre. In dieser Zeit hatte es Tausende von Zwischenfällen gege ben, die ihren Höhepunkt in der Ermordung des britischen High Commissioners, Sir Henry Gurney, gefunden hatten. Die MNLA wollte jedoch nicht nur, dass die Briten das Land endgültig verließen, sie wollte ein kommunistisches Regime einrichten.
    An der steifen, angespannten Haltung seiner Schultern konnte Mabel erkennen, wie ernst es Bong war. Am Rand der Gruppe stehend lauschte sie seinen Instruktionen, während er den Plan noch einmal in allen Details erklärte.
    Die langen Monate des Dschungelkampfs hatten Mabel völlig ausgelaugt. Sie war ausgemergelt. Ihre Arme und Beine waren voller Geschwüre und Insektenbisse. Ihre Uniform hing ihr nur noch in Fetzen vom Leib. Ihr Gesicht zeigte eine graue Blässe.
    Sie verabscheute diese barbarischen Überfälle – es machte ihr nichts aus, Postzüge zum Entgleisen zu bringen oder ein Kautschuklager in Brand zu setzen. Es war auch in Ordnung, ein kommunistisches Camp gegen britische Angriffe zu verteidigen. Aber dabei zuzusehen, wie Männer erschossen wurden, hinterließ in ihrem Magen stets eine trockene Übelkeit. Nichtsdestotrotz bestand Bong auf diesem Präventivschlag. Die Security Forces erhielten von den Dayaks , Kopfgeldjägern und Spurenlesern, zunehmend Unterstützung. Angeführt von den tätowierten Männern des Stammes mit ihren über einen Meter langen Blasrohren hatte eine Einheit der South Wales Borderers in den letzten Tagen an Boden gewonnen. Zuvor hatte Bong von einem Dorfbewohner erfahren, dass einige der bornesischen Ureinwohner, die lediglich mit Lendenschurzen bekleidet waren und Tigerzähne in den Ohren trugen, nur etwa sechs Meilen östlich von ihnen gesichtet worden waren. Der Mann hatte gesagt, dass sie wie Wilde ausgesehen hätten und getrocknete Menschenschädel, deren Augenhöhlen mit Muscheln gefüllt waren, auf Stangen aufgespießt mit sich herumtrugen.
    Bong erklärte, dass sie jetzt unbedingt Stärke beweisen müssten. Mabel wollte gerade die Hand heben und fragen, ob dies so etwas Ähnliches werden würde wie das, was die Amerikaner »Truthahnschießen« nannten, überlegte es sich aber rechtzeitig noch einmal anders. Sie hatte einmal gefragt, ob er Mitleid mit den Männern habe, die er tötete. Er hatte eine Weile überlegt. Natürlich habe er das, aber jedes Mitgefühl, das er vielleicht empfinde, werde durch seine Liebe zur Partei neutralisiert, hatte er ihr schließlich geantwortet.
    Sie drangen tief in das Herz des Dschungels vor. Dutzende von Flugzetteln lagen auf dem Boden des Waldes verstreut und hingen in den Bäumen. Mabel hob eines der Propagandablätter auf, die jeden Tag zu Tausenden aus der Luft in den Dschungel abgeworfen wurden. Es zeigte lächelnde, gut genährte Kommunisten, die kapituliert hatten. Sie las den Text.
    Wir wissen, dass alles, was du getan hast, im Dienste der Revolution geschah. Aber du bist ein menschliches Wesen, und wir alle machen Fehler. Ergib dich, und alles wird vergeben sein. Ergib dich, und du wirst gut behandelt werden.
    Das Unterholz war voller öligem Schlamm. Die Sohlen von Mabels Schuhen saugten sich immer wieder im Matsch fest. Ihre Muskeln brannten allein schon von der Anstrengung, immer wieder einen Fuß vor den anderen zu setzen. Schließ lich waren ihre Stiefel mit Schlamm vollgesogen, und sie spürte die nasse Erde zwischen ihren Zehen.
    »Vom Regen in die Traufe«, flüsterte sie vor sich hin, während sie ihren Blick über die Palette aus tropischen Grüntönen wandern ließ. »Das hier ist wie eine endlose Straße durch die Hölle.«
    Die Männer hielten die ganze Zeit den Kopf gesenkt, in höchster Konzentration, den Schlamm in der Nase, sich der Schlangen und der anderen Gefahren ringsum bewusst. Mabel blieb mehrmals mit ihrem Rucksack an einer Dornenranke hängen. Der Schweiß brannte in ihren Augen.

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