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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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sah Bong neben sich stehen.
    »Ich versuche, ihm das Leben zu retten.«
    Sie zog eine Dosis Morphium in der Spritze auf und gab sie dem Verwundeten.
    »Verdammt noch mal, hör sofort auf damit! Wir haben sowieso nicht genügend Verbandsmaterial und Morphium.«
    Sie ließ ihren Blick über Bongs Gesicht wandern wie ein Bauer, der seine Hacke durch den Boden zieht. »Und du fang verdammt noch mal an, dich einmal in deinem Leben wie ein menschliches Wesen zu benehmen!«, giftete sie.
    Er versuchte, ihre Hand vom Bauch des Soldaten wegzuzerren, aber Mabel war jetzt richtig wütend. »Wage es ja nicht!«, schrie sie ihn an. Sie hielt ihre Finger gespreizt, drückte mit der Handfläche auf die Wunde.
    »Das ist unser Feind.«
    »Um Himmels willen, halt jetzt den Mund und hilf mir! Die Kugel steckt tief in seinem Körper. Die Milz ist perforiert. Ich muss die Blutung stoppen.«
    Bong sah Evans an. Er zitterte am ganzen Körper, aber sein Gesicht war jetzt völlig ruhig. »Haben Sie eine Kippe?«
    »Eine was?«, fragte Bong.
    Evans atmete laut ein und wieder aus. »Zigarette.«
    »In meiner Tasche«, sagte Bong und nahm sein Päckchen Zigaretten heraus. Er zündete eine an und steckte sie dem Briten zwischen die Lippen.
    Der Boden um sie herum sah aus, als wäre er mit Rotwein getränkt. Auch auf Mabels Uniform breiteten sich immer mehr Burgunderflecken aus. Sie bemühte sich verzweifelt um Evans, grub ihre Finger in die Wunde.
    »Da ist sie.« Sie hatte die Kugel gefunden und versuchte jetzt, sie zu fassen zu bekommen. Die Wunde gab ein schmatzendes Geräusch von sich, als sie die Kugel herauszog. »Sehen Sie mich weiter an, Johnny Evans!«
    Als sein Blick glasig wurde, seine Augen sich halb schlossen und starr ins Zwielicht blickten, versteifte sich Mabel. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und schlug ihm mit aller Kraft auf die Brust.
    Mehrere Minuten lang tat sie alles, um sein Herz wieder zum Schlagen zu bringen. Schließlich legte Bong den Arm um ihre Schultern und zog sie von dem Toten weg.
    Aus dem stählernen Wrack des gepanzerten Fahrzeugs stieg noch immer Rauch auf. Alle britischen Soldaten waren tot. Ein Schwarm Krähen legte einen schwarzen Schleier über den Himmel, als die Vögel, vor dem Lärm der Gewehre fliehend, Richtung Küste davonflogen.
    Mabel rieb sich mit einer Handvoll Blätter das dunkle teerartige Blut von ihren Armen. In Corporal Evans’ aufgerissenen Eingeweiden wimmelte es bereits von Ameisen.
    In dieser Nacht baute sich Mabel eine Plattform aus Bambus und legte sich dann auf ihr behelfsmäßiges Feldbett zum Schlafen nieder. Nachdem sie mehrere Aderpressen angelegt und ein gebrochenes Handgelenk geschient hatte, kratzte sie das getrocknete Blut unter ihren Fingernägeln weg und versuchte zu vergessen, was sie an diesem Tag gesehen hatte. In der Nähe waren einige Männer aus ihrer Einheit bereits damit beschäftigt, die erbeuteten Maschinengewehre zu reinigen und die Munition zu verstauen.
    Schon bald fiel sie in einen unruhigen Schlaf, aus dem sie alle paar Minuten von den Moskitos geweckt wurde. Sie warf sich angespannt hin und her, in ihren Ohren hallten noch immer die Schreie der Männer. Schließlich musste sie ihr Gesicht mit einer Jacke bedecken, bevor sie endlich, auf dem Bauch liegend, tief und fest einschlief. Ihr rechter Arm rutschte dabei von der Plattform und baumelte über dem Boden.
    Ein paar Stunden später, kurz bevor der Morgen dämmerte, erwachte sie. Sie hatte geträumt, sie läge mit einem gebrochenen Ellbogen im Krankenhaus. Noch im Halbschlaf und völlig benommen, versuchte Mabel den Gips von ihrem verletzten Arm zu ziehen, stellte aber schnell fest, dass sie keinen Gips trug, sondern an einem großen Wulst aus ledriger Haut zerrte, die ihren Arm einhüllte wie ein Ärmel.
    Die Nacht war noch immer still und kohlschwarz. Ein moderiger Geruch haftete an ihrem Körper, und ihre Schultern schmerzten. Als sie sich bewegte, stellte sie fest, das ihr rechter Unterarm taub und schwer war. Benommen versuchte sie, ihre Hand zu bewegen, merkte jedoch schnell, dass sie wie ein totes Gewicht herabhing.
    »Verdammt«, zischte sie. »Verdammt, mir ist der Arm eingeschlafen.«
    Noch immer auf dem Bauch liegend zog sie mit der linken Hand ihre Jacke von den Augen und versuchte, sich auf den Rücken zu drehen. Und in ebendiesem Moment sah sie sie von Angesicht zu Angesicht: die Pontianak, die Vampir frau aus der malaiischen Überlieferung mit ihrer langen Zunge und den schrecklichen

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