Das Haus der tausend Blueten
zog ihre Augenbrauen hoch, setzte ihre Lesebrille auf und begann dann, das Kreuzworträtsel von letzter Woche zu lösen. Mit einem matten Lächeln sagte sie schließlich. »Bring mir heißen Milchtee, nah . Eine Tasse von deinem besonderen teh tarik .«
Lu See rückte ihre Schürze zurecht und schnalzte mit der Zunge. Widerwillig machte sie sich auf den Weg in die Küche, um Wasser aufzusetzen. In der Küche begannen die Röhren des Radios gerade zu glimmen – Dungeonboy starrte fasziniert auf den schwarzen Zeiger des Zenith-Schrankradios.
»Verdammt noch mal, muss sie sich denn wirklich in alles einmischen, sie ist so … kaypoh! «, platzte Lu See heraus, als sie Teeblätter in eine Kanne gab. »Ich wette, sie kommt nur her, um mich zu kontrollieren.«
Aus dem Radio ertönte gerade ein Peggy-Lee-Song. Dungeonboy schnippte dazu unrhythmisch mit den Fingern.
»Falls sie dich jemals etwas über mich fragt, sag ihr kein Wort!«
Dungeonboy knabberte an seinen Lippen und nickte dabei wie ein Metronom. Sein Blick blieb unverwandt auf das pulverisierte schwarze Sprechgitter geheftet. Bevor er im Il Porco angefangen hatte, hatte er noch nie ein Radio gesehen.
»Hast du mich verstanden? Kannst du mir folgen?«
»Naturlik, ich Ihnen folgen wie mein eigener Schatten.«
Ein paar Sekunden später wurde Peggy Lees Stimme langsam ausgeblendet.
»… und jetzt ist es Zeit für die Stunde der malaysischen Frau« , verkündete der Radiosprecher. »Heute werden unser geschätzter Dr. Chow und Mrs Gangooly über den gesundheitlichen Nutzen von Sternanis sprechen …«
»Hast du gehört, was ich gerade gesagt habe?«
»Ja, lah ! Nix sagen zu Missie-Mummy.«
»Und warum nicht?«
»Weil Missie-Mummy wie ein Furzblase in Badewanne. Alle rümpfen Nase.«
Lu See massierte ihre Nasenwurzel. In ihren Eingeweiden gurgelte es schmerzhaft. »Nun, das ist zwar nicht ganz das, was ich gemeint habe, aber ich denke, im Großen und Ganzen hast du begriffen, worum es geht.«
Sie verließ die Küche mit einer Tasse teh tarik . Als ihre Mutter sie kommen sah, hob sie die Augenbrauen und wedelte einen nicht vorhandenen Krümel von der Tischplatte. Lu Sees Sommerkleid, das sie unter ihrer Batikschürze trug, hatte an der rechten Schulter ein kleines Loch. Als sie die Tasse auf den Tisch stellte, sah ihre Mutter sie so missbilligend an, als hätte ihre Tochter gerade ein Familienerbstück versetzt, so wie das ihr Ehemann während des Krieges immer wieder getan hatte. Sie hob ihren Zeigefinger und tippte Lu See auf den Arm. » Chee! Was ist bloß mit dir los? Dein Kleid ist zerrissen!«
»Ich werde es später flicken.«
»Da bin ich aber froh«, sagte sie grimmig.
»Das hier ist ein Restaurant und keine Boutique. Tee und Toast, das macht sechzig Cents.«
»Was ist, wenn du von einem Bus angefahren wirst? Was werden die Sanitäter sagen, wenn sie dich in einem solchen Lumpen sehen.«
»Ich glaube, wenn ich von einem Bus angefahren werde, wäre meine einzige Sorge, am Leben zu bleiben und nicht, wie meine Kleider aussehen.«
»Du bringst uns wirklich noch in Verruf!«
Onkel Hängebacke zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Und das sagt ausgerechnet jemand, der so viel Make-up aufgelegt hat, dass sogar eine ipoh -Prostiutierte rot vor Scham werden würde!«
»Seht ihr, was ich mir alles gefallen lassen muss?«, sagte Lu Sees Mutter, an ein imaginäres Publikum gewandt. »Nicht der geringste Respekt gegenüber Ah-Ma!«
»Das war doch nur ein Scherz, lah «, besänftigte sie ihr Bruder.
»Ich meine«, fuhr Lu Sees Mutter fort und gestikulierte dabei wild mit einer mit Kondensmilch bestrichenen Scheibe Toast in Richtung ihrer Tochter, »ich bin absolut nicht snobistisch, dennoch bin ich der Überzeugung, dass ein gepflegtes Aussehen und eine angemessene Kleidung das gesellschaftliche Ansehen fördern.«
Natürlich wusste Lu See, dass ihre Mutter recht hatte. Als Eigentümerin des Il Porco war es durchaus von Bedeutung, dass sie so gut wie möglich aussah. Sie wollte ihrer Mutter nur einfach den Triumph nicht gönnen.
»Kein Wunder, dass du keinen Mann findest, lah «, fuhr ihre Mutter unbarmherzig fort und kratzte dabei an ihren Handflächen herum. »Du solltest dir wirklich langsam Gedanken machen.«
»Ich komme allein ganz gut zurecht, vielen Dank«, versicherte ihr Lu See.
»Ja, da bin ich mir sicher.«
Lu See schüttelte resigniert den Kopf. Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben ihre Mutter, mehr, um den Schmerz in
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