Das Haus der tausend Blueten
schätzen.
Sum Sum
Mabel faltete den Brief zusammen und steckte ihn wieder in ihre wasserdichte Tasche.
Ganz in ihrer Nähe hatte sich Bong ein Nachtlager bereitet. Sie sah, wie er sich müde sein Gesicht rieb. Seine Lider waren viel zu schwer, um sich noch auf die Karte, die er auf den Knien ausgebreitet hatte, konzentrieren zu können.
Wann immer sie in den vergangenen Wochen auf Spähtrupp im Wald gewesen waren, war keine Stunde verstrichen, ohne dass Mabel und Bong sich heimlich berührt hätten. Sie kannte ihn jetzt seit 1945, seit jenem Tag, als er mit einer japanischen Armeepistole in seinem Gürtel aus dem Wald gebrochen war.
Sie waren sich wieder begegnet, als sein Großvater das Leben im Dschungel gegen das in der Großstadt eingetauscht und eine Fahrradwerkstatt in Kuala Lumpur gekauft hatte. Als Teenager hatte Mabel ihr rostiges altes Hawthorne ständig zum Reparieren gebracht – hier einen Reifen wechseln, dort eine Schraube festziehen. Obwohl es ihr damals nicht bewusst gewesen war, hatte sie sich schon in ihrem letzten Jahr auf der Convent Bukit Nanas in Bong verliebt. Er hatte sich auf dem Schulgelände herumgedrückt und versucht, junge Frauen für seine Sache anzuwerben. Allerdings hatte er die meisten Mädchen mit seinem ungezwungenen Verhalten, seinem Selbstvertrauen und seinem kühnen Blick eingeschüchtert.
Für Mabel galt das jedoch nicht. Sie wurde einfach nur eifersüchtig, wenn sie sah, dass er mit einer ihrer Klassenkameradinnen plauderte. Seine leidenschaftliche Hingabe an die Sache war unwiderstehlich, und auch wenn sie selbst nicht unbedingt an die kommunistische Doktrin glaubte, so schloss sie sich schließlich doch der Bewegung an. Ihr körperliches Bedürfnis, an seiner Seite zu sein, hatte letztlich über ihre politischen Zweifel gesiegt.
Es gab natürlich Momente, in denen sie das Leben im Dschungel schier unerträglich fand. Aber jedes Mal, wenn sie ihm damit drohte, zu gehen, sagte er, dass es nicht mehr lange dauern würde – nur noch einen Monat, noch eine Woche –, und dann schlief er mit ihr, und sie war wieder wie verzaubert.
Jetzt liebten sie sich nur noch selten. Es war für die Moral der Truppe nicht zuträglich, wenn ein Offizier mit der Sanitäterin, noch dazu der einzigen Frau in seinem Zug, offen flirtete. Seltsamerweise stellte Mabel fest, dass es sie umso mehr erregte, je länger er sich von ihr fernhielt. Dieser zeitweilige Verzicht verlieh ihrer Beziehung eine ganz neue Dimension.
Seine Position in der Truppe hielt die beiden jedoch nicht davon ab, einander alberne Streiche zu spielen.
Als Mabel an diesem Tag gerade den Nachtigallenboden ausgelegt hatte, hatte sie einen winzigen Baumfrosch gefangen und in ihre Tasche gesteckt. Jetzt schlich sie zu Bong hinüber, der ihr gerade den Rücken zukehrte, und steckte das kleine Tier in seine Feldflasche, bevor sie wieder zu ihrem Nachtlager zurückkroch. Dann setzte sie sich im Schneidersitz hin und beobachtete ihn aus dem Augenwinkel heraus, wartete gespannt auf den Moment, in dem Bong die Feldflasche an seine Lippen setzte.
Fünf Minuten später würgte Bong, und Mabel, die Hand fest auf den Mund gepresst, platzte fast vor Lachen. Er kam auf Händen und Knien zu ihr herübergekrochen und gab ihr mit der flachen Hand einen liebevollen Klaps auf den Po.
»Was soll ich nur mit dir machen?«, fragte er sie und setzte sich, den Rücken zu ihr gewandt, vor sie hin.
Mabel zog ihn an sich, schlang von hinten ihre Arme um ihn und vergrub ihr Gesicht zwischen seinen Schulterblättern.
»Mir würde da schon etwas einfallen …« Ihre linke Hand lag auf der Vorderseite seiner Hose, zog bereits an der Gürtelschlaufe.
»Ich dachte, du bist verletzt?«
»Bin ich auch. Deshalb brauche ich ja auch eine besonders zärtliche und hingebungsvolle Betreuung.«
»Ich dachte, du hättest für heute genug von Schlangen?«
Ihre Finger wanderten weiter, suchten und fanden die wachsende Beule in seiner Hose.
»Vielleicht feiern wir ja eines Tages sogar eine Dschungelhochzeit«, flüsterte sie ihm schelmisch zu.
Sie wartete darauf, dass er sich umdrehte und ihr einen seiner berüchtigten bösen Blicke zuwarf. Als er stattdessen nur lächelte, wurde ihr leicht ums Herz.
»Vielleicht werde ich ein Diadem aus Jasminblüten im Haar tragen oder eine Girlande aus weißen Frangipani um mein Handgelenk.«
Er brummte etwas, nahm ihre Hand und legte sie auf seine Lippen.
»Und du, mein schöner Bräutigam, wirst eine Krone aus
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