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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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unschuldige Menschen von bösen Dämonen gefangen wurden. Die zu ihrer Rettung herbeigerufenen Mönche stürmten theatralisch nach vorn und verscheuchten die Dämonen.
    Lamas bliesen auf fast zwei Meter langen Hörnern aus Kupfer. Andere spielten auf Seemuscheln wie auf Trompeten und entlockten ihnen dabei tiefe wuchtige Töne. Aber noch bevor irgendjemand eine der Butterlampen anzünden konnte, erschienen plötzlich chinesische Soldaten auf dem Platz. Sie spuckten auf den Boden und forderten die Mönche auf, mit dem, was sie gerade taten, sofort aufzuhören und ihre Sachen zu packen. Sie rissen eine Mauer aus Gebetssteinen ein und verkündeten dabei, dass Religion Gift für das Volk sei. Dann zwangen sie einen älteren Lama, sich mitten auf dem Marktplatz nackt auszuziehen.
    »Ich wünschte, wir könnten uns gegen diese Verbrecher zur Wehr setzen! Sie spucken uns an und verhöhnen uns«, zischte Sum Sum.
    Sie spürte ihr Herz wie eine Trommel schlagen. Auf den Straßen von Shigatse und in den Außenbezirken von Lhasa war jeder, der das heilige rote Gewand trug, den chinesischen Soldaten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
    Tormam sagte mit bebender Stimme: »Ich habe gehört, dass es in Amdo und Kham heftige Kämpfe gibt.«
    Sie kaute nervös an ihren Fingern herum. Sum Sum wusste, dass sie das nur tat, um nicht in Tränen auszubrechen.
    »Einige sagen, die Amerikaner würden den Aufstand mit Waffen unterstützen. Es heißt, dass amerikanische Flugzeuge irgendwo südlich von Lhasa Gewehre für die Widerstandsbewegung abwerfen würden.«
    »Es passieren schreckliche Dinge auf dem Dach der Welt.«
    Sum Sum spürte, wie ein dumpfer Schmerz an ihren Eingeweiden zu nagen begann. Ihr Magen war leer. Die Küche verfügte zwar noch über etwas Getreide und reichlich Yakbutter, aber die Nonnen aßen jetzt nur noch einmal am Tag. In aller Regel bestand ihre Mahlzeit aus tsampa . Nur jeden fünften Tag gab es eine Portion Reis mit Brennnesselspinat und wilden Zwiebeln.
    Der Frühling 1959 kam. Er brachte Wachteleier und frische Rüben. Die Gebetsmühlen drehten sich weiter.
    Mit dem Frühling kamen jedoch auch die Soldaten. Als sie sich dem Kloster näherten und dabei eine Reihe bildeten, die aussah wie eine Ligusterhecke, versammelten sich die Nonnen.
    Ein Mönch aus dem benachbarten Kloster rannte den Soldaten auf der unbefestigten Straße entgegen, die Arme wie ein Vogel ausgebreitet, um sie aufzuhalten. Sie schlugen ihm ins Gesicht. Blutstropfen, groß wie Kieselsteine, fielen von seiner aufgeplatzten Lippe auf den Boden. Als er aufstand und noch einmal auf sie zulief, diesmal mit flatternden Armen, packten sie ihn und verprügelten ihn, bis er sich nicht mehr rührte. Tormam, die das sah, krümmte sie sich zusammen, als würde man auch sie schlagen.
    Draußen im Haupthof stand die Äbtissin im Regen. Sie hatte in völliger Hilflosigkeit ihre Hände zu Fäusten geballt. Auf ihrem Gesicht lag ein grimassenhaftes Lächeln. Sie sah aus wie ein eingesperrter alter Vogel.
    Die Nonnen kamen zu ihr heraus und bildeten vor dem Eingang des Klosters eine Menschenkette. Jampa nahm Sum Sums linke Hand, Tormam ergriff ihre rechte.
    Der Offizier vor ihnen öffnete sein Holster und zog seine Pistole.
    Alle Nonnen wichen zurück.
    Alle bis auf Sum Sum.
    In ihrem Inneren schwelte ein glühender Zorn. Trotz all ihrer Kühnheit trat schließlich auch sie einen Schritt zurück.
    Tormam, deren Gesicht einen völlig verstörten Ausdruck zeigte, warf Jampa einen ängstlichen Blick zu und schlang, so als wolle sie sich vor der Kälte schützen, die Arme um ihren Oberkörper. Sum Sum beugte sich zu ihr herüber, um sie zu trösten, und flüsterte ihr dabei etwas ins Ohr.
    Die Soldaten kamen zum Stehen. Jampa schrie die Männer an, sie sollten wieder gehen. Die Entschlossenheit, die in ihrer Stimme lag, hatte sie normalerweise für die Novizinnen reserviert. Tormam legte der Gebetshallenleiterin tröstend eine Hand auf den Arm, während ihnen der Regen in die Augen lief.
    Sum Sum starrte die Männer stumm an, dann drehte sie sich plötzlich um und rannte den Gang entlang, der zur Küche führte. Eine Minute später war sie mit einem Korb voller Wachteleier wieder zurück. Ihr Herz hämmerte so heftig in ihrer Brust, dass am Rande ihres Gesichtsfeldes alles verschwamm, ihr Ziel verlor sie jedoch keine Sekunde aus den Augen. Das erste Ei landete mit einem Platschen auf der Schulter des Offiziers. Eigelb lief über seine Epauletten. Das nächste traf

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