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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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einen Brotkrümel in ihre Richtung. Sie wandte ihm dem Rücken zu.
    »Wie kann ich Ihnen helfen, Mr Au?«
    Ein Brotkrumen traf sie am Rücken.
    »Ich würde gern einen Artikel über Ihr Restaurant, das Il Porco, schreiben. Vielleicht könnten wir die Einzelheiten persönlich besprechen. Ich würde mir gern das Restaurant ansehen, ein paar Fotos machen und Sie interviewen.«
    »Und natürlich etwas essen«, fügte sie hinzu.
    »Was?«
    »Ich nehme an, dass Sie in ihrem Artikel über das Essen berichten wollen.«
    »… ja … äh, ja …«
    Lu See atmete hörbar aus. »Mr Au, worüber genau wollen Sie schreiben?«
    Er zögerte. »Nun, wir wollen eine Story über Rassenprovokationen vor der Wahl bringen. Können Sie bestätigen, dass Sie versuchen, ihre muslimischen Nachbarn zu brüskieren, indem sie Schweinefleisch anbieten? Trifft es zu, dass … ?«
    Sie knallte den Hörer mit voller Wucht auf die Gabel.
    »Wer war das?«, fragte ihre Mutter und kratzte sich an den Handflächen.
    »Ein Reporter. Diese verdammten Geier wollen doch nur böses Blut schüren!« Lu See ging erbost in die Küche und kehrte mit einer Schale Gemüsebrühe für Fishlips Foo wieder.
    Fishlips beugte seinen mit Leberflecken übersäten Schildkrötenkopf über die Suppe und probierte einen Löffel. Er grunzte angewidert: »Die Suppe ist lausig.« Sein Löffel klirrte gegen den Rand der Schale. »Vollkommen verwässert. Kein Geschmack!«
    »Onkel Hängebacke schmeckt die Suppe«, bemerkte Lu See.
    »Sieh dir doch nur an, wie fett er ist! Er isst eben alles.«
    »Sie bestellen jetzt seit zehn Jahren jeden Tag die gleiche Suppe, Mr Foo.«
    »Und jedes Mal schmeckt sie nach nichts. Und außerdem: Warum ist meine Portion immer viel kleiner als seine? Immer betrügst du mich!«
    »Ich bringe Ihnen gern noch eine Schale«, stöhnte Lu See.
    »Wieso denkst du, dass ich mehr haben will? Die Suppe hat keinen Geschmack.«
    Onkel Hängebacke tupfte gerade die Brotkrümel mit seinem Mittelfinger von der Tischplatte auf.
    »Welche Nachricht vernimmt man aus den Mauern von Troia?«, fragte Pietro.
    Lu See hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte.
    »Oh, du einfältiges Äffchen«, rief er theatralisch. Seine Zähne blitzten auf. »Tibet? Sum Sum?«
    Lu See zuckte mit den Schultern. Sie hatte es versucht. Mit aller Macht versucht. Aber niemand war bereit gewesen, ihr irgendwelche Auskünfte zu geben. Die Nachrichten im Radio und den Zeitungen widersprachen sich. Erst letzte Woche hatte sich ein Stammkunde vor seinen Teller Schweinefleisch gesetzt und glaubhaft versichert, dass sich China im Krieg mit Tibet befände.
    Lu See breitete bittend die Hände aus. »Ich rufe jeden Tag in der chinesischen Botschaft an, aber immer wieder wimmeln sie mich ab. Gestern habe ich sogar drei Mal dort angerufen, aber sie haben sich mehr als vage ausgedrückt, haben sogar abgestritten, irgendetwas von einem ›entschlossenen Vorgehen‹ in Tibet zu wissen.«
    Ihre Mutter brummte leise etwas. Lu See kannte diesen Gesichtsausdruck nur allzu gut. Er sagte ihr, dass es ihrer Meinung nach reine Zeitverschwendung war, wenn Lu See weiter versuchte, Sum Sum ausfindig zu machen.
    »Also bin ich wieder einmal persönlich zur chinesischen Botschaft gegangen«, fuhr sie fort. »Eine schreckliche Frau mit platten Füßen hat mich zunächst einmal ewig warten lassen, dann hat man mich in einen kleinen Raum geführt, in dem sich nur ein leerer Schreibtisch, drei Stühle und zwei Männer in Mao-Anzügen befanden. Sie haben mir mehr Fragen gestellt als ich ihnen. Und was habe ich von ihnen erfahren? Nichts.«
    Pietro, der gerade an seiner langen Zigarettenspitze sog, hielt inne. »Typische Diplomaten eben.«
    »Ich habe sogar mit jemandem vom Roten Kreuz gesprochen und mit dem Indischen Hochkommissariat telefoniert – niemand jedoch war willens oder in der Lage, mir irgendwelche Auskünfte zu geben, was den Dalai Lama oder die Situation in Tibet betrifft.«
    »Oh, du archimedische Schraube! Das arme Würstchen. Aber wir alle wissen, dass unsere liebe Sum Sum eine Überlebenskünstlerin ist. Hoffen wir, dass sie dem Beispiel des Dalai Lama folgt und es über die Grenze nach Dharamsala schafft!«
    Pietro nahm einen Schluck Tee, öffnete dann seinen Diplomatenkoffer, um, wie er es sich angewöhnt hatte, hier im Restaurant die weniger wichtige Post zu lesen. Mit einer Nagelfeile schlitzte er den Umschlag eines Briefes auf, der ihn anscheinend irritierte. Plötzlich sprang er auf, setzte sich

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