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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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Antiquitätenläden gesäumt waren. Etwa alle zehn Meter kamen sie an einer mit Steinmetzarbeiten verzierten Fassade vorbei.
    »Auf der rechten Seite seht ihr das St. John’s College, links die Divinity School«, rief Adrian über den Motorlärm hinweg. »Hier das Trinity College, und dort drüben«, sagte er und zeigte auf eine Allee, »das ist die King’s Parade.«
    Überall sah Lu See gotische Türme, Gewölbebögen aus der Zeit der Tudors, Wasserspeier, Spitztürme, kleine Türmchen und große Türme. Hier und da fuhren sie an Studenten vorbei, die allesamt schwarze Umhänge und viereckige Mützen trugen. Einige saßen auf hölzernen Bänken und lasen, andere standen in Grüppchen zusammen und unterhielten sich, während sie sich ihre Gesichter von der matten Nachmittagssonne wärmen ließen.
    Lu See wandte sich Sum Sum zu. »Und wie gefällt es dir hier?«, fragte sie.
    Sum Sum sah zu den Spitzen, Türmchen und Giebeln hinauf. »Kommt mich alles vor wie Schloss von Dracula.«
    Der Motor hustete, gerade als Adrian wieder zu sprechen anfing. »Ich habe dir eine möblierte Unterkunft am Portugal Place besorgt. Der Pensionswirtin, Mrs Slackford, habe ich gesagt, dass du am Girton studieren willst. Du kannst mit Sum Sum dort wohnen, bis wir verheiratet sind.«
    »Und wann wird das der Fall sein?«
    »Im Sommer. Jetzt solltest du dich zuerst einmal in Cambridge einleben.«
    Adrian stellte den Austin an der Park Parade in der Nähe der Laurel Tea Rooms ab. Die Reisekoffer in den Händen, dirigierte er die Mädchen durch eine gewundene, mit Kopfsteinen gepflasterte Fußgängerpassage, bis sie vor einer blau gestrichenen Tür standen, auf der in kräftigem Rot die Nummer 23 prangte.
    »Denkt dran«, flüsterte er alles andere als leise. »In England legt man auf bestimmte Dinge Wert. Diskretion und Zurückhaltung, das sind die Merkmale der Oberschicht. Wir sind die einzigen Chinesen, die eure Hauswirtin, Mrs Slackford, je gesehen hat, also …«
    »Ja, ja. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wir werden uns tadellos benehmen. Ich werde mich bemühen, nicht auf den Teppich zu spucken, und es vermeiden, beim Essen nach jedem Gang laut zu rülpsen.«
    Er verdrehte die Augen. Ungeduldig hob Lu See den schweren Türklopfer aus Messing an und ließ ihn fallen.
    Eine gebeugte ältere Frau mit silbergrauem Haar öffnete. Sie sah die Besucher mit zusammengekniffenen Augen an, als müsse sie durch eine dichte Wolke von Zigarettenrauch blinzeln. Sie trug ein braunes Hauskleid und Wollstrümpfe.
    »Sie müss’n Miss Teoh sein.«
    »Guten Tag, Mrs Slackford.« Sie gaben sich die Hand. »Bitte nennen sie mich Lu See.«
    »Nun, dann kommen Sie mal rein. Is nich nötig, dass Sie die Schuhe auszieh’n. Wir sind ja nich in Japan, wissen Sie. Es gibt vier einfache Regeln für Sie – kein Essen auf dem Zimmer, kein Herrenbesuch.« Sie sah Adrian mit hochgezogenen Augenbrauen vorwurfsvoll an. »Keine Haustiere, und abends um zehn wird die Tür abgesperrt. Is das klar?«
    »Ja, absolut.«
    »Ich verlange zwei Pfund die Woche; wenn Sie Frühstück und Abendessen haben wollen, kostet das fünf Schilling extra.«
    »Kein Problem.«
    »Und ich erwarte die Miete zwei Wochen im Voraus. Das oberste Stockwerk gehört mir. Sie und Ihre Cousine wohnen in den beiden Zimmern im ersten Stock. Baden können Sie Dienstag- und Samstagabend, wenn der Wasserkessel angeheizt is.«
    »Prima.«
    Mrs Slackford lächelte. »Also, da jetzt alles geklärt is, kommen Sie rein und sehen sich um, woll’n Sie? Ihr Freund, Mr Woo, wird allerdings im Flur warten müssen.«
    Lu See betrat ein helles kleines Wohnzimmer, das mit Gobelins, zwei Chintzsofas und einem Ledersessel mit einem Schonbezug aus Spitze eingerichtet war. An das Wohnzimmer schloss sich ein Esszimmer an, in dem Nussbaummöbel und ein großer Refektoriumstisch aus dem 19. Jahrhundert standen. Ein gemauerter Kamin befand sich am anderen Ende des Raums. An den Wänden hingen viktorianische Ölgemälde, die idyllische Szenen aus dem englischen Landleben zeigten. Es roch nach Möbelpolitur. Auf dem Refektoriumstisch stand ein Emerson-5-Röhren-Empfänger, aus dem leise Swingmusik ertönte.
    »Normalerweise gefällt mir dieses neumodische Zeugs nich besonders«, sagte Mrs Slackford und blieb stehen, um die Musik lauter zu stellen. »Aber diesen jungen Burschen, diesen Benny Goodman, den mag ich.«
    »Das Haus ist sehr hübsch«, erklärte Lu See, während sie sich umsah.
    »Mein Mann, Mr Slackford, war

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