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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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Cross stiegen. Der Zugbegleiter ließ, sich aus einer Waggontür lehnend, seine Pfeife ertönen, und eine dichte Dampfwolke aus dem Schornstein der Lokomotive hüllte den Zug ein.
    Adrian war in einen Plaid und einen zweireihigen Windsoranzug gekleidet, auf seinem Kopf thronte ein Homburg im Stil von James Cagney. Seinen Mantel trug er lässig über dem Arm. Lu See nahm an, dass er sich an diesem Morgen in aller Eile angezogen hatte, denn sein hinteres Kragenknöpfchen fehlte.
    »Ich liebe deine Garderobe«, flötete Pietro. »Gefällt dir mein Hut? Er ist von Elsa Schiaparelli. Ein Damenhut, ich weiß«, er seufzte, »aber ich musste ihn einfach haben.«
    Als Lu See zusah, wie Sum Sum Platz nahm, fiel ihr etwas auf, was sie bei ihrer Freundin noch nie gesehen hatte – sie kam ihr irgendwie verdrießlich vor. Sum Sum war stets reizbar, manchmal auch überempfindlich, aber sie war noch nie verdrießlich gewesen.
    Es muss dieses graue Wetter und das schwer verdauliche englische Essen sein, entschied sie . Die vielen Schweinepasteten! Aber das ist doch kein Grund, dass sie sich benimmt wie eine beleidigte Leberwurst.
    Lu Sees musternden Blick einfach ignorierend tat Sum Sum so, als würde sie in einer Ausgabe des Modern-Screen-Magazin lesen, dessen Cover ein Bild von Marlene Dietrich zierte. Adrian steckte seine Nase indessen in den Manchester Guardian . Nach einer Weile murmelte er etwas von deutschen Truppen, die das Westufer des Rheins überschritten hätten.
    »Das ist eine schwerwiegende Verletzung des Versailler Vertrags«, sagte er kopfschüttelnd, anscheinend mehr zu sich selbst als zu einem von den anderen. »Verdammte Faschisten!«
    Draußen vor dem Fenster fiel ein beständiger Nieselregen, der sich als feiner Nebel auf die Scheibe legte.
    Pietro klatschte in die Hände, um alle aufzumuntern. »Wenn wir heute Abend wieder in Cambridge sind, seid ihr alle zum Essen in der Christ’s College Hall eingeladen. Ich habe dem Chef de Cuisine gesagt, dass er etwas ganz Besonderes zubereiten soll – ich habe sogar angeboten, ihm zur Hand zu gehen.«
    »Du? Kochen? Nein, lah !«, verkündete Sum Sum, die von dieser Neuigkeit wenigstens vorübergehend aus ihrer Lethargie gerissen wurde.
    Sichtlich gekränkt setzte Pietro seinen Hut ab und fuhr sich mit seinen Fingern durch die blonden Haare. »Du musst wissen, Samson, dass die Familie meiner Mutter aus Italien kommt. Das Kochen ist somit Teil dessen, was meine Familie mir vererbt hat. Und wenn wir schon von Erbe sprechen: Gehen wir gleich ins Museum, wenn wir nach London kommen?«
    Adrian schüttelte den Kopf. »Als Erstes werden wir Lu Sees Orgelbauer aufsuchen. Und dann gehen wir erst einmal in den Zoo.«
    Als sie am King’s Cross ankamen, schoben sie sich an den rot livrierten Gepäckträgern vorbei und riefen dann ein Taxi. Sum Sum hatte zwar eine vage Vorstellung davon, wo London lag, wusste jedoch weder, wo sie die Stadt auf einer Landkarte hätte suchen sollen, noch wie groß oder klein sie war. Als sie jetzt aus dem Taxifenster starrte, war sie ein wenig enttäuscht. Das , dachte sie, das soll also das Herz des Empires sein?
    »Alles so grau und schmutzig hier. Sieht nicht so aus wie Fotos von Big Ben und Pack-in-Hemd-Palast.«
    Das Taxi setzte sie vor einem Ladengeschäft in der Nähe der U-Bahn-Station Angel ab. Über dem Haupteingang war ein schwarzes Vitrolite-Glasschild mit der Aufschrift Conrad P . Hughes – Orgelspezialisten in erhabenen karminroten Buchstaben angebracht. Im Laden wurde Lu See von einem feingliedrigen bekümmert wirkenden Mann in einem Maßanzug begrüßt. Irritiert bemerkte Lu See, dass seine Schuhe nicht zusammenpassten. Sie hatten unterschiedliche Farben.
    »Conrad P. Hughes, zu Ihren Diensten«, sagte er. »Miss Teoh, richtig? Ja, ich habe letzte Woche Ihren Brief erhalten.« Er musterte Adrian, Sum Sum und Pietro der Reihe nach. »Es geht um ein Projekt, das Sie in Malaysia geplant haben, wenn ich mich recht erinnere. Ja, wir wären mehr als glücklich, den Auftrag anzunehmen.«
    Er nahm sich die Zeit, ihnen einen niedrigen Schrank mit Glasfront zu zeigen, in dem eine stattliche Reihe von Miniatur-Orgeln standen.
    »Alle Modelle sind maßstabsgetreu gefertigt«, erklärte er. »Wenn Sie mir jetzt bitte folgen wollen und hier Platz nehmen würden …«
    Die nächsten Minuten verbrachte er damit, den vier Personen, die sich zunächst ein Bild von seiner Arbeit machen wollten, sich selbst und seine Entwürfe vorzustellen.
    »Wie

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