Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
Vom Netzwerk:
Nacken streifen. Dann packte er sie am Schopf. Der Druck der Klinge wurde stärker.
    »Ich sollte dich für das, was du gesehen hast, töten«, sagte er in bedächtigem Ton.
    »Ich nichts gesehen!«
    Er schüttelte langsam den Kopf. »Du weißt, dass ich es war, der den Damm gesprengt hat.«
    Sum Sum zögerte, dann nickte sie.
    »Außer dir gab es noch ein Mädchen aus dem Dorf, das mich beobachtet hat. Ich habe sie im Fluss ertränkt, noch bevor sie irgendetwas ausplaudern konnte. Willst du plaudern?«
    Sum Sum schüttelte den Kopf.
    »Ich hätte dir schon auf der Jutlandia die Kehle aufschlitzen sollen, aber da warst du mit diesem verdammten Polizisten zusammen! Wenn ich dich getötet hätte, wäre man vielleicht auf mich aufmerksam geworden. Und dann hätte ich auch noch deine Herrin töten müssen.«
    »Sie nichts damit zu tun!«
    »Hast du dem Polizisten von mir erzählt?«
    »Nein!«
    »Ich habe dich die ganze Zeit beobachtet, habe mich davon überzeugt, dass der Dicke, der Mann, der Hängebacke genannt wird, nicht in der Nähe ist. Ich habe gehört, dass auch er euch auf der Spur ist. Ich würde es vorziehen, mich nicht auch noch mit ihm befassen zu müssen.« Er riss ihr die Kamera und das Päckchen mit den Negativen aus der Hand. »Du sagst deiner Herrin, dass ich, wenn sie auch nur ein Wort über das, was passiert ist, verliert, zurückkommen und ihr sehr wehtun werde, genauso wie ich dir jetzt wehtun werde. Nur viel schlimmer!«
    Er bedeutete ihr mit den Augen, sich hinzuknien, und sie tat, was er von ihr verlangte. Die Spitze des Messers kratzte über ihr Kinn, dann wanderten seine Hände hinab zu ihrem Busen.
    »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein verängstigtes Opfer nützlicher ist als ein totes.«
    Sum Sum schloss die Augen. Sie begriff. Sie musste das hier tun. Sie musste Lu See schützen.
    »Sie sagen, der Buddhismus erfülle im Gegensatz zu den anderen Glaubensrichtungen, die Sie genannt haben, nicht die Definition von Religion. Könnten Sie das bitte näher ausführen?«
    Lu See überlegte eine Minute, den Rücken hielt sie dabei steif wie ein Bügelbrett. »Nun, zuerst einmal glauben die Zen-Buddhisten nicht an einen transzendenten Gott oder transzendente Götter. Außerdem teilen sie nicht den Glauben an Himmel und Hölle. Stattdessen glauben sie an die Reinkarnation und vertrauen darauf, irgendwann das Nirwana zu erreichen.«
    »Aber das Nirwana ist doch der Himmel, oder etwa nicht?«
    »Wenn man einen Moslem oder einen Christen fragt, so ist der Himmel ein Ort, an den man nach dem Tod zu gelangen hofft. Auch im Mahabharata der Hindus steht geschrieben, dass die Pandavas in den Himmel und die Kauravas in die Hölle kommen.«
    »Wenn das Nirwana also kein Ort ist, als was würden Sie es dann bezeichnen?«
    »Ich würde sagen, es ist ein Bewusstseinszustand.«
    Miss Watts-Thynne nickte. »Wie vertraut sind Sie mit den christlichen Lehren?«
    »Nicht besonders. Ich kann keine langen Passagen aus den Evangelien zitieren. Da hätte ich im Gottesdienst wohl besser aufpassen sollen.«
    Die Damen lächelten höflich. Dr. Brooks nahm einen kräftigen Zug aus ihrer Pfeife und zeigte dabei ihre gelben Zähne. Lu See erwiderte das Lächeln.
    »Die Passion Christi«, fuhr Miss Watts-Thynne fort. »Können Sie mir sagen, warum das Wort ›Passion‹ in theologischer Hinsicht von Bedeutung ist? Beinhaltet Passion nicht sexuelle Leidenschaft oder das leidenschaftliche Interesse an einer Sache?«
    Verdammt! Das sollte ich eigentlich wissen. Die Passion bezieht sich immer auf die Kreuzigung und den Tod Jesu. Berichte über die Passion finden sich in allen vier kanonischen Evangelien, aber wo hat die dogmatische Bedeutung des Wortes ihren Ursprung?
    Lu See steckte in ernsten Schwierigkeiten. Verzweifelt zermarterte sie sich das Hirn.
    »Ich will Ihnen einen kleinen Hinweis geben«, deutete Miss Watts-Thynne Lu Sees Schweigen richtig. »Sie wissen doch, dass man von Ihnen verlangt, bis zum Ende Ihres ersten Jahres eine der biblischen Sprachen, entweder Hebräisch, Sanskrit oder Altgriechisch, zu beherrschen.«
    Lu See starrte auf ihre Hände.
    Die Antwort muss im etymologischen Ursprung des Wortes liegen. Gütiger Himmel, wie sehr ich mir wünsche, ich hätte jetzt Ah-Bas Wörterbuch zur Hand. Passion stammt vom griechischen Wort …?
    Nichts. Da war einfach nichts. Sie kämpfte verzweifelt gegen ihre aufsteigende Panik an. Dann unternahm sie einen weiteren Versuch und durchforstete ihre grauen Zellen ein

Weitere Kostenlose Bücher