Das Haus der tausend Blueten
einen Stresemann und einen seidenen Zylinder, Lu See ein Kleid in glücksverheißendem Rot, dazu einen Pagenhut, der schräg auf ihrem Kopf saß. Ein paar Tage zuvor hatte sie ein Paar elegante braune Schuhe mit flachem Absatz und goldener Spange erstanden.
Während der Standesbeamte seine Rede hielt, legte Adrian seinen Arm um Lu See. »Glücklich?«, flüsterte er ihr ins Ohr.
»Ich bin genau da, wo ich sein will«, erwiderte sie.
Zweite Tante Doris hatte ihr einmal gesagt, dass das Leben nicht aus Tagen, Wochen oder Jahren bestand, sondern aus Augenblicken. Und genau dies war einer jener glücklichen, fantastischen Augenblicke, den sie nie mehr vergessen würde.
Kurz darauf steckte ihr Adrian einen schmalen goldenen Ring an den Finger. Mann und Frau! Sie nahm Adrians Gesicht in ihre Hände und küsste ihn leidenschaftlich. In der Ferne schlug eine Kirchturmuhr. Lu See warf einen kurzen Blick zu Sum Sum hinüber, die wie ein Dorftrottel schielte. Lu See lachte schallend. Kürbiskopf, du verdammte Närrin!
Die beiden Freundinnen umarmten sich. »Hast du irgendeinen Rat für meine Hochzeitsnacht?«, fragte Lu See.
»Ja, lah . Wenn im Bett, zeig nicht auf sein Pinsel und fang zu lachen an.«
Lu See war froh, Sum Sum endlich wieder lächeln zu sehen.
Adrian öffnete eine Whiskyflasche und reichte sie zuerst dem Standesbeamten, der einen ordentlichen Schluck nahm und sich dann mit dem Handrücken den Schnurrbart abwischte. Pietro setzte sein tragbares Grammofon in Gang, woraufhin das Tät-Tätärä von Louis Armstrongs swingender Trompete den Raum erfüllte. Ihren Brautstrauß in der einen Hand, hielt Lu See mit der anderen Sum Sums Arm.
Komm schon und schwing die Hüften!
Tät-tät tätärä tät-tä!
Atemlos vor Lachen hoben sie im Takt die Beine, die Augen hatten sie geschlossen. Pietro hüpfte auf den Zehen auf und ab, dann machte er die Monkey-Knees, wobei er die Hände auf die gebeugten Knie legte, die Knie öffnete und schloss und die Hände dabei immer wieder überkreuzte. Neben ihm improvisierte Adrian einen Charleston, wobei er mit den Armen pumpte wie ein Läufer.
Tätärä-tä-tä!
Nach einer Weile konnte Lu See vor Lachen einfach nicht mehr. Erschöpft legte sie ihre Hände auf die Kugel, die sich unter Sum Sums Kleid mittlerweile sehr eindeutig abzeichnete.
»Wie geht’s deinem Bauch?«
»Fühlt sich an wie Wassermelone. Wohin fahrt ihr in Flitterwochen? Und wie lange?«
»Adrian sieht sich gerade Prospekte von allen Seebädern oben im Norden an. Es gibt da in Lincolnshire einen kleinen Ort namens Cleethorpes. Er glaubt, dass der ganz nett wäre. Wir fahren nächste Woche und bleiben ungefähr einen Monat. Wirst du hier allein zurechtkommen?«
»Ich? Ich komm klar, lah .« Sum Sum umarmte Lu See. » Aiyoo, und jetzt hör auf, ständig an mir zu denken. Liebe Güte, du bist jetzt geheiratet. Fahr in Flitterwochen und verbring dein Zeit mit dein Ehemann. Und wenn du zurückkommst, braucht ihr eigene Wohnung. Ihr beide müsst sein ungestört.«
Sum Sum ging nach draußen, um frische Luft zu schnappen. Sie stand auf den rissigen steinernen Stufen des Standesamtes und fröstelte. Der Gedanke, an diesem fremden Ort allein zu sein, machte ihr Angst. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Schon bald würde sie eine Entscheidung treffen müssen.
13
Im Laufe der nächsten Wochen wurde das Wetter immer schwüler und drückender. Eines Tages stürmte Sum Sum, die inzwischen aufgegangen war wie Hefeteig, in Pietros Wohnung und verkündete: »Ich hab mir verliebt!«
»Wie, du hast dich verliebt?«, gab Pietro verblüfft zurück.
»Er heißt Klack.«
» Klack? Was ist denn das für ein seltsamer Name?«
»Dunkle Haare, kräftiger Kiefer, aiyoo, und Schultern wie tibetischer Yak.«
»Hast du vielleicht wieder am Whisky genippt, Würstchen?«
»Ich hab zwei fantamagistische Stunden in Cosmo Cinema verbracht.« Sum Sum schauderte wohlig. » Aiyoo, diese Captain Bligh ist vielleicht unheimliche, verrückte Mann. Unheimlich gute Film, lah . Und diese Schauspieler, Klack-Gabel, sieht mächtig gut aus.«
Am Himmel zog eine Hawker Hurricane auf ihrem Weg zum Royal-Air-Force-Stützpunkt Upwood vorbei.
Sum Sum nahm sich eine wilde Himbeere aus einem Körbchen auf dem Tisch und steckte sie sich in den Mund. Pietro musterte sie. »Wann kommt Lu See wieder?«
»In zwei Tage.«
»Du hast dich ohne sie bestimmt ziemlich einsam gefühlt.«
»Sie hat gesagt, dass sie vier Wochen weg sein. Jetzt sind
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