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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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dass der Eisenvogel nicht länger flog, sondern fiel, zuerst trudelnd und dann unkontrolliert stürzend.
    Wenige Augenblicke später hörten sie auch schon einen Knall, das Krachen von Stahl auf hartem Boden. Der Aufschlag ließ die Erde erzittern. Jampa wurde bleich, Sum Sum fuhr zusammen. Es fühlte sich an, als hätte jemand einen großen Sack Reis direkt neben ihren Füßen fallen lassen. Noch bevor irgendjemand sonst reagierte, rannten Sum Sum und Tormam bereits auf das abgestürzte Flugzeug zu.
    Es war eine C-87. Sie war in einer baumlosen, menschenleeren Gegend abgestürzt. Sum Sum sah die lange schwarze Furche, die der Rumpf des Flugzeugs ins frische Gras gezogen hatte, und die metallenen Bruchstücke, die zweihundert Meter entfernt in der Sonne glänzten. Als sie sich dem Wrack näherten, bemerkte Sum Sum, dass die rechte Tragfläche fehlte und auch das Heck beschädigt war. Je näher sie kam, desto mehr befürchtete sie, dass das Flugzeug in Flammen aufgehen könnte.
    Sum Sum spürte Tormams Hand auf ihrem Arm. »Die Männer in dem Flugzeug … Meinst du, sie sind tot? Ich kann nämlich kein Blut sehen.«
    »Wir müssen versuchen, ihnen zu helfen. Wenn da Blut ist, dann stell dir einfach vor, es sei Erdbeermarmelade.«
    Tormam sah sie völlig verwirrt an. »Was ist Erdbeermarmelade?«
    Im Motor zischte etwas. Es hörte sich an wie Dampf, der aus einem Kühler entweicht. Sum Sum kletterte auf den Rumpf des Flugzeugs. Sie versuchte, die Cockpitkuppel zurückzuschieben, die sich jedoch völlig verkeilt hatte. Sie rieb Reif von der Oberfläche des Fensters und spähte durch die Scheibe.
    Die Crew saß aufrecht in ihren Sitzen. Ihre Gesichter waren hinter ihren Brillen und Atemmasken verborgen. Keiner von ihnen bewegte sich. Sie sahen aus, als würden sie schlafen.
    Inzwischen waren auch die anderen am Wrack eingetroffen. Die meisten Novizinnen standen zusammen mit Gebetshallenleiterin Jampa einfach nur da, die Hände in die Röcke ihrer Gewänder gekrallt und unschlüssig, was sie jetzt tun sollten.
    »Bringt mir einen großen Stein«, verlangte Sum Sum.
    Jemand bückte sich und reichte ihr einen spitz zulaufenden Stein von der Größe einer Mango hinauf. Mit einer Hand die Augen schützend zertrümmerte Sum Sum das Glas des Cockpits und entfernte dann die verbliebenen Scherben aus der Fassung. Die drei Besatzungsmitglieder hingen weiterhin fest angeschnallt und bewegungslos in ihren Sitzen. Der Pilot trug einen Fliegeranzug. Seine behandschuhten Hände umfassten noch immer fest den Steuerknüppel.
    Sum Sum kroch ins Cockpit. Sie legte den Männern nacheinander ihre Fingerspitzen an den Hals, holte dann tief Luft. Es bestätigte sich, was sie bereits vermutet hatte – die Männer waren alle tot.
    Es war jedoch kein Blut zu sehen. Keine grotesk verdrehten Arme und Beine. Die Besatzung war entweder durch den Aufprall oder an Sauerstoffmangel gestorben.
    Noch bevor Sum Sum sie davon abhalten konnte, kletterte jetzt eine der anderen Novizinnen in das Cockpit. Völlig fasziniert begann sie an den Gurten des Piloten herumzuziehen, versuchte den Verschluss zu öffnen. Als ihr das nicht gelang, legte sie eine Hand auf den Gashebel, begann dann an den Knöpfen herumzuspielen. Schließlich legte sie einen Schalter, der rot lackiert war, von Safe auf Fire um.
    »Hör auf damit!«, fuhr Sum Sum sie an.
    Auch einige der anderen spähten jetzt in das Cockpit hinein. Sie interessierten sich jedoch viel mehr für die Anzeigen auf dem Instrumentenbrett als für die toten Männer. Hände klopften gegen die Öldruckanzeige. Daumen drückten auf Höhen- und Drehzahlmesser, Sauerstoff- und Benzinuhren.
    »Lasst das!«, schrie Sum Sum sie an.
    »Du hast uns nichts zu sagen! Oder bist du etwa unsere Äbtissin?«, protestierte das Oliver-Hardy-Double mit schriller Stimme.
    »Vielleicht sind noch Bomben an Bord! Willst du, das wir alle in die Luft fliegen?«
    Das genügte. Als die Novizinnen hastig vom Flugzeug heruntergeklettert waren, erschien Jampas Gesicht im Fenster des Cockpits.
    »Sind das Amerikaner?«, fragte sie, vor Anstrengung keuchend.
    Sum Sum nickte. »Ja. Schau hier, die Adlerflügel auf seiner Brust. Und siehst du das, lah ? Auf den Fliegeranzügen steht USAAF .«
    »Aber der Krieg mit Japan ist doch vorbei. Das hat der Dalai Lama selbst verkündet. Die Japaner haben kapituliert. Warum sind diese Flugzeuge dann noch immer im Einsatz? Warum transportieren sie noch immer Waffen über den Himalaja?«
    Sum Sum entdeckte

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