Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
Vom Netzwerk:
so dass sie in ewiger Seligkeit fortleben konnten und nie wieder Trauer oder Schmerz erdulden mussten. Seine Mission belastete ihn sehr, aber er hatte sich nie vor der Pflicht gedrückt. Auch nicht, als er das Kissen auf Rimas Gesicht gepresst hatte, um ihre Schreie zu ersticken – um zu verhindern, dass ihre Hilferufe durch die friedlichen Sträßchen von Colby hallten.
    Tränen waren ihm übers Gesicht gelaufen, als er das Kissen schließlich beiseite gelegt hatte. Ihr Gesicht sah nicht friedlich aus, und das hatte ihn bekümmert. Er war versucht gewesen, ihre Leiche mit ins Gasthaus zu bringen, so dass sie ebenfalls von den Flammen verzehrt werden konnte, aber das hätte zu viel Verdacht erregt, und er hoffte noch immer, dass der Herr bei den Ermittlungen wieder einmal seine schützende Hand über ihn halten würde. Wenn das geschah, würde er einfach erklären, dass Rima einem schweren Herzinfarkt erlegen war, und niemand würde das bezweifeln. Alle wussten, wie sehr er an ihr hing.
    Er stellte die Kerze auf den Boden des Kühlraums. Die Luft im Raum war so schlecht nicht, und er hatte keine Sorge, dass sie ersticken würden. Er wollte nicht, dass sie sich im Dunkeln fürchteten. Immerhin hatten sie eine lange Reise vor sich, und es sollte ihnen nicht schlecht gehen. Er tat das alles ja ihnen zuliebe.
    Er schloss die Tür von außen und trat zurück. Wenn eine von ihnen zu Bewusstsein kommen und um Hilfe schreien würde, konnte sie niemand hören. Das wusste er genau – Valettes Geschrei hatte auch niemand gehört.
    Er würde sie natürlich nicht hier lassen können. Die schweren Metalltüren würden ihre Körper vom reinigenden Feuer abschirmen. Er hatte vor, sie später in die improvisierte Kapelle hinauszubringen und über ihnen Gebete zu sprechen.
    Er rümpfte die Nase. Benzingeruch hatte er noch nie gemocht, aber für ein anständiges Feuer gab es nichts Besseres, und so viel brauchte er gar nicht. Er hatte das Benzin über Wochen hinweg aus seinem alten Pick-up abgesaugt – jenem Pick-up, mit dem er Sophie von der Straße gedrängt hatte –, so dass niemand rekonstruieren konnte, woher es stammte. Es würde heiß und schnell und hell brennen; die freiwillige Feuerwehr hatte keine Chance, rechtzeitig hier zu sein.
    Pfeifend stieg er die schmale Treppe hoch. Jetzt musste er nur noch darauf warten, dass Sophie zurückkehrte, und die Nacht konnte ihren vorherbestimmten Lauf nehmen.
    Er brauchte nur wenige Minuten, um durch die dunklen Gänge des alten Hospitals ins Gasthaus zurückzulaufen. Er war in diesem Gebäude geboren worden, vor mittlerweile sechsundsiebzig Jahren. Fünfhundertdreiunddreißig Babys hatte er zur Welt gebracht – er hatte akkurat mitgezählt. Es war nur angemessen, dass es auf diese Weise enden würde.
    Als er die Küche betrat und die Tür zum alten Flügel wieder abschloss, war von Sophie nichts zu sehen. Er wusste, wo sie war, er wusste, was sie tat. Je größer die Sünde, desto größer die Buße. Er griff nach dem Strauß Judastränen und drehte ihn in der Hand.
    Bald, gelobte er sich selbst. Bald.
    Marty hörte eine Stimme in ihrem Kopf summen. Sie wollte nicht zuhören, sondern nur schlafen. Warum mussten die Leute immer ihren Schlaf stören? War es denn zu viel verlangt …
    „Marty! Wach auf, Kind!“
    Sie wog das Für und Wider ab. Sie hatte Grace’ Stimme erkannt, aber Grace war die letzte Person, mit der sie reden wollte. Außerdem lag sie hart und unbequem, und ihr Schädel dröhnte wie verrückt, und sie machte den Fehler, die Augen zu öffnen.
    „Oh, Scheiße“, sagte sie.
    „In der Tat“, erwiderte Grace grimmig. „Binde meine Hände los, sei so gut, ja? Dieser verrückte alte Bastard hat mich betäubt, und ich kann mich nicht rühren.“
    Grace’ Stimme klang klar und sachlich, ganz anders als der übliche verhuschte Tonfall der letzten Monate, und Marty versuchte sich aufzusetzen und im spärlichen Kerzenschein zu ihr hinüberzuschauen. Sie befanden sich in einem dunklen, fensterlosen Raum, und Grace sah sie mit kaum verhohlener Ungeduld an.
    „Bist du verrückt?“ raunzte Marty sie an.
    „Ehrlich gesagt, kein bisschen“, entgegnete Grace so energisch, wie sie sich seit Monaten nicht angehört hatte. „Immerhin bin ich dahintergekommen, dass Doc der Northeast-Kingdom-Mörder ist. Aber ihr hättet mir das nie geglaubt. Ich habe ja versucht, euch zu warnen.“
    Marty machte sich daran, die Riemen an Grace’ Handgelenken zu lösen. „Warum hast du uns

Weitere Kostenlose Bücher