Das Haus der toten Mädchen
die Wehen eingesetzt hatten, zwei Monate vor der Zeit, hatte sie ein Ungetüm geboren, das sie innerlich völlig zerrissen hatte, so schlimm, dass sie nie wieder völlig genesen war. Und als er das abscheuliche Ding weinend auf dem Dorffriedhof begraben hatte, hörte er dieses Flittchen am öffentlichen Strand schallend lachen und ihn verhöhnen. Und er hatte gewusst, was zu tun war.
Er hatte ihr Gelächter erstickt. Nicht an jenem Abend, als der Wunsch in ihm aufgekeimt war, aber später, als sie in seine Praxis kam, weil sie unter Kopfschmerzen litt. June tat der Kopf weh, weil sie aus Eitelkeit keine Brille tragen wollte, aber die Stadt hatte Docs Diagnose eines tödlichen Hirn-Aneurysmas hingenommen, ohne sie in Frage zu stellen, und um das Mädchen getrauert. Und seitdem war er Gottes Wegen gefolgt.
Er hatte gedacht, dass Rima es wüsste. Gesagt hatte er es ihr nie, da er die Last nicht auf andere Schultern laden wollte. Und es
war
eine Last: Es fiel schwer, den Tod zu bringen, wenn man dazu ausgebildet worden war, Leben zu erhalten. Aber es hatte keinen Sinn, sich gegen sein Schicksal aufzulehnen, auch wenn man es wollte. Diese Pflicht war ihm aufgetragen worden, und er hatte keine andere Wahl, als sie zu erfüllen.
Er war immer überzeugt gewesen, dass Rima das verstehen würde. Dass sie sogar tief im Innersten schon wusste, was er getan hatte, wenn er erschöpft und niedergeschlagen von seinen Touren zurückkehrte. Das Töten bereitete ihm kein Vergnügen, er handelte nur aus gerechtem Zorn.
Dass er Rima töten würde, damit hatte er nicht gerechnet. Mit gebeugtem Haupt und gefalteten Händen hatte er an ihrem Bett gesessen und sein Geständnis abgelegt. Diese Nacht sollte die letzte werden – er würde zum Gasthaus hinauffahren und sein Werk vollenden. Das letzte Vipernnest in ihrer Gemeinde zerstören und dann jede Strafe hinnehmen, die die Gesellschaft für ihn vorsah. Er machte sich keine Illusionen, dass er dem Gericht seine Motive würde verständlich machen können.
Aber es bestand noch immer die Möglichkeit, dass man erneut Thomas Griffin verdächtigen würde. Doc hatte ihn sofort erkannt, als er ihn zum ersten Mal in Audleys Laden getroffen hatte, und er war versucht gewesen, irgendetwas zu unternehmen.
Wenn er damals geahnt hätte, dass dieser Mann Sophie ins Verderben reißen würde, hätte er nicht gezögert. Er hatte diesen Fehler zutiefst bedauert, obwohl ihm klar war, dass, wenn Thomas Griffin sie verderben konnte, auch ein beliebiger anderer sie vom rechten Weg hätte abbringen können. Sie hatte den Keim der Sünde schon in sich getragen, sie war auch nur so ein gefallener Engel, verdammt zur Fleischessünde. Er sagte sich, dass sie denselben Weg gehen musste wie ihre kleine Schwester und all die anderen.
Es war die Mutter, die ihn am längsten hinters Licht geführt hatte. Er wusste, dass sie ein sündiges Leben geführt hatte, aber sie war dem Wahnsinn anheim gefallen, und er hatte geglaubt, das sei schon Strafe genug. Aber in ihrem Wahn hatte sie die Zusammenhänge erkannt, sie wusste, wer er war und was er getan hatte. Und er war zu dem Schluss gekommen, dass sie die Kinder begleiten musste.
Er stellte die Kerze, die er trug, auf die schuttbedeckte Theke und verlagerte seine Last. Sie stöhnte wieder, kam aber nicht zu Bewusstsein. Er öffnete die Kühlkammer, und die schale Luft, die aus dem Raum entwich, ließ die Kerzenflamme flackern. Grace war noch genau da, wo er sie zurückgelassen hatte. Sie saß in einem alten Korbrollstuhl, ihre dünnen Arme waren an die Lehnen gefesselt, der Kopf war ihr tief auf die Brust gesunken. Er legte Marty auf den Boden und ging, plötzlich bedrückt, zu Grace hinüber. Die Dinge liefen nicht so, wie er es geplant hatte. Womöglich hatte er Grace versehentlich eine tödliche Dosis des starken Beruhigungsmittels verabreicht. Womöglich hatte er Marty den Schädel zertrümmert, als er den Gewehrlauf auf ihr schwarz und pink gestreiftes Haar niedersausen ließ. Das Haar einer Hure, jetzt mit blutroten Streifen.
Aber Grace’ Atem ging gleichmäßig. Sie war nur betäubt, genau wie vorgesehen. Nicht mehr. Und Martys unruhige Bewegungen zeigten, dass auch sie noch lebte. Nun fehlte nur noch Sophie. Er brauchte sie alle lebend. Er wollte, dass sie die unerträgliche Hitze der Flammen spürten, die ihre Seelen reinigen und gen Himmel schicken würden.
Er hegte keinen Zweifel daran, dass sie in den Himmel kamen. Er befreite sie ja von ihren Sünden,
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