Das Haus der toten Mädchen
King dabei, die hintere Veranda zu fegen, und sie blickte nicht einmal auf, als er den Kaffeerest in seine Thermostasse füllte. Vielleicht war sie völlig taub.
Nein, eher nicht.
Er schnappte sich seine Schlüssel, eilte zur Vordertür und blieb dort abrupt stehen.
Sophie Davis stand auf der Veranda. Sie trug ein Tablett mit Keksen und hatte einen wachsamen, künstlich freundlichen Gesichtsausdruck.
Griffin lehnte sich an den Türpfosten und versperrte ihr so den Weg ins Haus. „Was ist das?“
Er verunsicherte sie. Es faszinierte ihn, wie leicht sie aus dem Konzept zu bringen war, und es kam ihm durchaus gelegen. Sophie Davis schien ihm keine Frau zu sein, bei der man mit Charme und Verführungsgehabe viel erreichen konnte; zwei Dinge, die er aus dem Effeff beherrschte. Sie war klug genug, ihm mit Skepsis zu begegnen. Und irgendwie wurde er den Eindruck nicht los, dass sie etwas zu verbergen hatte.
Sie war zu jung, um sich an die Medienberichterstattung über die Morde zu erinnern. Sie war höchstens Anfang dreißig, eher noch Ende zwanzig, und sie wohnte erst ein paar Monate in Colby. Nicht lang genug, um hier Geheimnisse zu kultivieren, also hatte sie sie wohl mitgebracht.
Er wusste nichts über sie – außer der Tatsache, dass sie ihn nicht sonderlich mochte. Normalerweise hätte er sich darum nicht geschert, aber solange er hier war, musste er allem Ungewöhnlichen auf den Grund gehen. Also setzte er ein flüchtiges, wölfisches Lächeln auf, nur um ihr einen Schrecken einzujagen.
„Ich habe Ihnen Kekse gebacken“, sagte sie mit nervöser, atemloser Stimme.
„Das sehe ich. Warum?“
„Um mich dafür zu bedanken, dass Sie Mutter nach Hause gebracht haben.“
„Ich konnte sie um die Zeit ja kaum alleine da draußen rumlaufen lassen, nicht?“
„Ich halte Sie für die Sorte Mann, die genau das fertig brächte“, erwiderte sie.
Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Sie hatte also die Samthandschuhe ausgezogen und rechnete damit, sich die Hände schmutzig zu machen. Er war nur allzu bereit, die Herausforderung anzunehmen. „Also doch kein reiner Höflichkeitsbesuch“, entgegnete er. „Verraten Sie mir doch bitte, warum Sie wirklich hier sind.“
Hinter ihm polterte es. Offenbar hatte Addy im Wohnzimmer etwas fallen gelassen. Er drehte sich nicht einmal um, aber Sophie wurde blass. „Wer ist da drin?“
„Marge Averill hat die Leute geschickt, die Sie mir empfohlen haben, um das Haus in Ordnung zu bringen. Aber Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Was führt Sie her?“
„Ich muss mit Ihnen sprechen.“ Sie wirkte ungefähr so glücklich wie eine Frau, die einem Exekutionskommando gegenüberstand.
„Schön. Hier können wir uns nicht unterhalten: zu viel los. Ich wollte gerade mit dem Auto weg; Sie können mich begleiten.“
„Ich habe zu tun …“
„Möchten Sie nun mit mir reden oder nicht?“
Sie zögerte. „Na gut. Wo kann ich die Kekse abstellen?“
„Wir nehmen sie mit. Ich habe noch nicht gefrühstückt.“ Er ging an ihr vorbei zur Verandatreppe und registrierte halb amüsiert, halb bitter, wie weit sie zurückwich, um ihm bloß nicht zu nahe zu kommen. So wie sie sich aufführte, konnte man glatt meinen, dass sie ihn eines Verbrechens verdächtigte. Seit er aus dem Gefängnis entlassen worden war, hatte ihn niemand mehr derart wie einen Aussätzigen behandelt. Es war kein angenehmes Gefühl.
Immerhin folgte sie ihm – wenn auch mit zehn Schritten Abstand, wie eine gehorsame moslemische Ehefrau. Sobald sie sein Auto erblickte, verringerte sie die Distanz.
Er wartete auf ihren ätzenden Kommentar. Nur wenige Menschen verstanden seine Bindung an diesen Wagen oder konnten sie gar nachvollziehen; sogar Zebulon King hatte ihn für eine alte Schrottkiste gehalten. Alt war der Wagen schon, aber auch mehr wert, als Zebulon King in einem Jahr verdiente. Die einfache Tatsache, dass es ein Jaguar war, machten sein fortgeschrittenes Alter und sein etwas heruntergekommenes Äußeres mehr als wett. Das verdammte Ding lief wie am Schnürchen, und Griffin ließ ihm alle erdenkliche Pflege angedeihen. Der Innenraum war perfekt in Schuss gehalten, von den Original-Ledersitzen bis zum Armaturenbrett in Walnussholz. Nur das Äußere erweckte wenig Vertrauen: eine schäbige Collage aus Spachtelmasse, Rost und dunkelgrauem Lack.
Er ging zur Beifahrertür und öffnete sie mit theatralischer Geste. „Nicht das, was Sie gewöhnt sind, aber es wird reichen müssen. Ihre Kutsche
Weitere Kostenlose Bücher